Im Fall der ermordeten Schülerin soll es heute ein Urteil geben. Der Angeklagte bestreitet jede Verwicklung in die Tat. Nun beraten die Geschworenen.
Nach sechs Verhandlungstagen mit Dutzenden Zeugen und sechs Gutachterberichten geht der Korneuburger Prozess um den Tod von Julia Kührer am heutigen Dienstag ins Finale. Um 15 Uhr zogen sich die Geschworenen zu Beratungen zurück, ein Urteil ist noch für heute zu erwarten.
Der des Mordes an der 16-Jährigen angeklagte 51-Jährige hat sich nicht schuldig bekannt. In einem Erdkeller auf seinem Grundstück im nahen Dietmannsdorf waren 2011 die sterblichen Überreste des fünf Jahre zuvor aus Pulkau verschwundenen Mädchens gefunden worden.
Verletzung, Handyortung und DNA-Spur
Wesentliche Punkte, auf die sich die Anklage stützt, sind gerichtsmedizinisch festgestellte Kieferverletzungen, die auf einen Schlag ins Gesicht zurückzuführen sein könnten, und eine DNA-Spur des Angeklagten auf der Decke, in die die verbrannte Leiche eingewickelt war.
Weiters zeige das zum Zeitpunkt des Verschwindens des Mädchens in Pulkau eingeloggte Handy des Mannes eine zeitliche und räumliche Nähe zum Opfer. Nach Annahme des Staatsanwaltes wurde Julia Kührer in der Videothek den Angeklagten getötet, nachdem sie einen sexuellen Annäherungsversuch abgelehnt hatte.
Lokalaugenschein abgewiesen
Bevor am heutigen Dienstag die Schlussvorträge von Staatsanwalt und Verteidiger anstehen, sollten die Geschworenen als weiteren Zeugen einen Diensthundeführer und ein weiteres Gutachten hören: Der vorsitzende Richter Helmut Neumar hatte diesbezüglichen Anträgen Rifaats stattgegeben.
Die Sachverständige Katja Sterflinger habe, wie Rifaat bei der Antragstellung am Freitag begründet hatte, anhand von Schimmelpilzen auf einem in dem Erdkeller befindlichen, angesengten Hocker den Brandzeitpunkt auf den Herbst 2006 datiert - also auf einen Zeitpunkt, zu dem der Angeklagte nicht mehr dort wohnte. Er hatte Dietmannsdorf im September 2006 verlassen. Ein beantragter Lokalaugenschein wurde abgewiesen.
Zwei Fragen an Geschworene
Nach Abschluss der Verlesungen hat der Richter die beiden Fragen verlesen, die die Geschworenen beantworten müssen:
- Die Hauptfrage lautet, ob der Angeklagte Michael K. schuldig sei, das Mädchen vorsätzlich gewaltsam getötet zu haben - auf eine nicht mehr feststellbare Weise, wobei ein anhand der festgestellten Kieferverletzungen anzunehmender Schlag ins Gesicht angeführt wurde.
- In der zweiten Frage geht es darum, ob der Angeklagte das Metamphetamin ("Crystal Meth") an Julia Kührer abgegeben hat.
Staatsanwalt: "Kührer ist ermordet worden"
Am Nachmittag hat Staatsanwalt Christian Pawle in seinem mehr als einstündigen Schlussvortrag dargestellt, welche Vielzahl an Beweisen und Gutachten, verbunden mit der Motivlage und einem fehlenden Alibi, aus seiner Sicht für die Schuld des Angeklagten sprechen. "Julia Kührer ist am 27. Juni 2006 ermordet worden", gab sich Pawle überzeugt.
Die Version des Beschuldigten, jemand Anderer habe ihre Leiche auf seinem versperrten Grundstück abgelegt, sei "lebensfremd und abwegig". Eine Mittäter-Theorie sei auszuschließen, für Pawle sei K. kein Märtyrer, der einen anderen decken würde. Und der Ex-Freund der Schülerin habe für den Nachmittag und Abend ihres Verschwindens ein Alibi. Hingegen habe K. mehrmals gelogen und den Ermittlern anfangs als Zeuge Hinweise auf andere Verdächtige gegeben, um von sich abzulenken. Er habe die Situation kontrolliert und konnte fünf Jahre lang dafür sorgen, dass der verbarrikadierte Keller nicht betreten wurde.
Verteidiger: Viele Spekulationen
Verteidiger Farid Rifaat hat sich in seinem Schlussplädoyer mit der Feststellung an die Geschworenen gewandt, ihre Aufgabe sei viel schwieriger als es auf den ersten Blick scheine. Es gehe nämlich darum, die Aussagen der Zeugen nach ihrem Wahrheitsgehalt zu bewerten, verwies Rifaat auf zahlreiche Ungereimtheiten. Vieles in dem Fall sei Spekulation.
Sicher wisse man einzig und allein, dass Julia Kührer am 27. Juni 2006 um 13.30 Uhr am Hauptplatz in Pulkau den Bus, von der Schule kommend, verlassen hatte. Danach wurde sie von niemandem mehr gesehen. Die Spekulation fange also schon beim von ihr gewählten Heimweg an - die Videothek lag zwischen dem Hauptplatz und dem Wohnhaus -, und setze sich fort. Der nächste Fakt sei dann erst wieder die Auffindung der Leiche am 30. Juni 2011.
Michael K. schloss sich den Worten seines Verteidigers an. Und er betonte: "Ich habe keinen Grund gehabt, Julia was anzutun." Wenn er gewusst hätte, dass er eine Leiche im Keller hatte, hätte er sich anders verhalten.
Nach diesen Schlussworten wurde der Angeklagte aus dem Saal geführt. Kurz vor 15 Uhr zogen sich die Geschworenen zur Urteilsberatung zurück.
Interaktive Zeitleiste zum Fall Kührer (Link)
(APA)