In den letzten 15 Jahren ist die globale Durchschnittstemperatur bei Weitem nicht so stark gestiegen, wie in den Prognosen vorhergesagt.
Seit Jahren warnt der Weltklimarat IPCC vor einer fortschreitenden Erderwärmung, die verheerende Folgen für den Menschen und seine Umwelt haben dürfte. In seinen neuen Schlussfolgerungen, die am Freitag in Stockholm vorgestellt wurde, verleiht das Gremium seinen Warnungen erneut Nachdruck. Doch eine Entwicklung passt zumindest auf den ersten Blick nicht in dieses Bild: In den letzten 15 Jahren ist die globale Durchschnittstemperatur bei Weitem nicht so stark gestiegen, wie in den Prognosen vorhergesagt.
Klimaskeptiker werten diese Entwicklung in ihrem Sinne: Die These vom durch den Menschen verursachten Klimawandel stimme einfach nicht, sagen sie. Die Warnungen vor einer gefährlichen Erderwärmung seien grüner Alarmismus.
Das Rästel um den verlangsamten Anstieg
In den vergangenen 50 Jahren ist die weltweite Durchschnittstemperatur um 0,12 Grad Celsius pro Jahrzehnt angestiegen. In den vergangenen 15 Jahren lag der Anstieg allerdings nur bei 0,05 Grad pro Jahrzehnt.
Die in Stockholm veröffentlichte Zusammenfassung des ersten Berichtsteils führt die deutliche Verlangsamung etwa zur Hälfte auf die veränderte Aktivität der Vulkane und der Sonne zurück. Vulkanausbrüche erhöhen den Anteil der Schwebeteilchen in der Erdatmosphäre, die wiederum Sonnenlicht zurück reflektieren und somit die Aufheizung der Atmosphäre verringern. Außerdem wird eine Veränderung in der Aktivität der Sonne selbst vermutet.
Erwärmung versteckt in großer Tiefe?
Zur anderen Hälfte wird der verlangsamte Temperaturanstieg auf einen kühlenden Effekt durch "interne Variabilität" zurückgeführt. Darunter verstehen Wissenschafter Veränderungen in der Art, wie Hitze zwischen Land, Luft und Meer verteilt wird. "Wir wissen, dass derartige Phasen von der Dauer eines Jahrzehnts oder so ein bis zwei Mal pro Jahrhundert auftreten können", sagt Laurent Terray vom französischen Computersimulationszentrum Cerfacs. Erst wenn die Entwicklung zwei weitere Jahrzehnte andauere, hätten die Computersimulationen zum Klimawandel offenbar diesen Faktor unterschätzt.
Der IPCC geht davon aus, dass die Erwärmung sich zumindest teilweise nicht an der Erdoberfläche abspielt und daher in den Temperaturdaten nicht auftaucht. Das UN-Gremium geht davon aus, dass die Meerestemperaturen in einer Tiefe ab 3000 Metern seit den 1990er-Jahren steigen. Offenbar finde ein Austausch zwischen dem wärmeren Wasser in Oberflächennähe und dem kalten Wasser der Tiefsee statt. Die Erwärmung fände also versteckt in großer Tiefe ab.
Streit um die "Pause"
Mit Sicherheit geklärt ist das Phänomen aber nicht. Bei den Beratungen der 195 IPCC-Mitgliedsländer über den neuen Teilbericht gab es daher Streit, welchen Platz die verlangsamte Erderwärmung der vergangenen 15 Jahre in der Zusammenfassung des Dokuments einnehmen soll.
Die USA wandten im Voraus in einem Kommentar ein, dass die Erwärmungspause nicht ausreichend erklärt werde. "Das ist ein Beispiel dafür, eine Reihe von Zahlen zu nennen und sie dann ohne konkrete Aussage im Raum stehen zu lassen", hieß es in der Stellungnahme zum IPCC-Bericht. Andere Länder nahmen die gegenteilige Position ein. So schrieb die ungarische Regierung in einem Kommentar, dass eine Anomalie von 15 Jahren nur einen Wimpernschlag in der Erdgeschichte darstelle und daher unerwähnt bleiben könne.
Zwei Absätze in 36 Seiten
Letztlich fand das Phänomen mit zwei Absätzen Eingang in die 36-seitige Berichtszusammenfassung. Darin wird auch nicht ausgeschlossen, dass zumindest in einigen der Temperaturmodelle die Auswirkung zunehmender Treibhausgasemissionen überschätzt wurde.
Vorab hatten auch Wissenschafter davor gewarnt, ein Ausklammern der verlangsamten Erderwärmung in den vergangenen 15 Jahren in der Berichtszusammenfassung schade der Glaubwürdigkeit des IPCC. Auch Anders Levermann vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung sagt, die ausführliche Diskussion darüber sei "sehr, sehr wichtig" gewesen. Aus seiner Sicht würde es "aber das Bild verzerren, wenn man sich darauf konzentriert". Der Klimaphysiker ist überzeugt, dass der Temperaturstieg nach der derzeitigen Abweichung "wieder hoch geht und dann möglicherweise noch schneller als vorher".
(APA/AFP)