Schmieds Rücktritt: Das Scheitern einer "Reformministerin"

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SPOE PARTEIPRAESIDIUM: SCHMIEDAPA/ROLAND SCHLAGER
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Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) zieht sich aus der Politik zurück. Mit ihr verabschiedet sich eine umstrittene Reformerin.

Wien. Sie galt schon immer als die Wackelkandidatin in der Regierung. Gestern, Montag, war es dann so weit: Claudia Schmied (SPÖ) trat nach fast sieben Jahren im Amt als Unterrichtsministerin zurück und sorgte damit vermutlich für den Anstoß zahlreicher personeller Umschichtungen nach der Wahl.

Der Rückzug aus der Politik sei „keine Spontanentscheidung“ gewesen, sagt Schmied, eine „solch persönlich wichtige Entscheidung“ reife nach und nach. Sie habe in den vergangenen Wochen nicht nur einige berufliche Angebote aus Wirtschaft und Kultur bekommen, sondern wolle sich nun auch „ein bisschen Zeit“ für sich, ihre Familie und ihren Freundeskreis nehmen, so das offizielle Statement. Gemutmaßt wird derweil, dass Schmied mit diesem Schritt ihrer durchaus nicht als unwahrscheinlich geltenden Absetzung als Unterrichtsministerin zuvorkommen wollte.

Fakt ist, dass sich mit Schmied eine der umstrittensten Figuren der rot-schwarzen Koalition aus der Politik verabschiedet. Für die Gewerkschaft schien sie ohnehin das personifizierte Böse zu sein, aber auch in der Bevölkerung fielen ihre Beliebtheitswerte mager aus. Und das, obwohl die 54-Jährige genau das tat, was stets von Politikern gefordert wird: Sie setzte Reformen in Gang – oder versuchte es zumindest.

Kritik an „Projektitis“

Nur allzu gerne bezeichnete sie sich selbst als Reformministerin. Wenn sie vor Journalisten trat, dann häufig mit umfangreichen Presseunterlagen, in denen alle beschlossenen Projekte fein säuberlich aufgelistet waren. Was sie als Beweis für ihre gute Arbeit sah, legten Kritiker zu ihrem Nachteil aus. Schmied würde „vieles aufreißen und wenig zu Ende bringen“, monierte die Gewerkschaft. „Projektitis“ nannten es andere.

Fehlender Rückhalt

62 Projekte waren es schlussendlich, die Schmied als Ministerin auf Schiene brachte, viele davon allerdings mit Schönheitsfehlern. Etwa die Zentralmatura, deren angeblich unzureichende Vorbereitung von Schülern, Eltern und Lehrer so lange beklagt wurde, bis die Ministerin sie um ein Jahr nach hinten verschob. Ähnlich problematisch verlief die noch andauernde Umwandlung der Hauptschulen in Neue Mittelschulen. Dieses Prestigeprojekt Schmieds wurde von der politischen Konkurrenz als bloßes Austauschen von Türschildern abgetan.

Das neue Lehrerdienstrecht ist ohnehin ein eigenes Kapitel. Die jahrelangen Diskussionen darüber ließen die Regierung und vor allem die Unterrichtsministerin in einem schlechten Licht erscheinen. Schon der erste Versuch Schmieds in diese Richtung war mehr als unglücklich. Mit der Forderung nach zwei Stunden Mehrarbeit zog sie den Zorn der Lehrer auf sich. Und verlor nicht nur die Unterstützung des Koalitionspartners, sondern wurde auch von SPÖ-Chef Werner Faymann im Regen stehen gelassen. Das zeigte jenes Dilemma, an dem Schmied seit jeher laborierte: das fehlende Standing in der eigenen Partei.

Das machte den Job der Unterrichtsministerin – der angesichts diverser Erblasten aus der Ära Gehrer und den immer wieder desaströsen Ergebnissen bei internationalen Bildungstests wie etwa PISA ohnehin nicht einfach ist – noch schwieriger. Denn Schmied musste in ihrer Amtszeit nicht nur gegen die starke ÖVP-nahe Lehrergewerkschaft auftreten, sondern häufig auch gegen den Koalitionspartner, der in Bildungsfragen so gut wie immer anderer Meinung ist als die SPÖ.

Die Gesamtschule, das große Ziel der SPÖ sowie auch der Unterrichtsministerin, blieb durch das Veto der ÖVP in weiter Ferne.

Mit dem Wechsel von Beatrix Karl vom Wissenschafts- ins Justizministerium kam Schmied die einzige Verbündete in der Volkspartei abhanden. Die immer wieder bemühte „Frauenpower“ verschwand vom Minoritenplatz. Mit dem Einzug von Karlheinz Töchterle (ÖVP) funktionierte auch die großkoalitionäre Selbstvermarktung nicht mehr. Gemeinsame mediale Auftritte wurden zur Seltenheit. Übereinstimmung in Bildungsfragen? Fehlanzeige. Die Ministerin mutierte mehr und mehr zur Einzelkämpferin: ehrgeizig und resolut. Manchmal auch zu verbissen. Das zeigte sich nicht zuletzt in einigen – freundlich ausgedrückt eigenwilligen – Personalenscheidungen, etwa der Abberufung von Elmar Märk, dem designierten Rektor der Pädagogischen Hochschule Innsbruck, nach einer medial ausgetragenen Meinungsverschiedenheit. Ebenso wie die Entlassung des ehemaligen Direktors des Bildungsinstitut Bifie, die sich nachträglich als unrechtmäßig herausstellte.

Geschadet hat der Unterrichtsministerin auch ihre Vorgeschichte. Dass von der Gewerkschaft kritisiert wurde, sie habe als Bankerin nur wenig Ahnung vom Schulbetrieb, war das eine. Das andere – wesentlich Unangenehmere – waren die strafrechtlichen Ermittlungen, die gegen sie nach der Notverstaatlichung der Kommunalkredit geführt wurden. Diese wurden erst nach rund fünf Jahren im Frühling 2013 eingestellt.

Schmied wird jedenfalls bis zur Angelobung der neuen Regierung in ihrem Amt blieben. Wer ihr nachfolgen wird, und ob der Posten wieder von der SPÖ besetzt wird, ist noch nicht bekannt.

ZUR PERSON

Claudia Schmied (54) wurde am Tag der Nationalratswahl des Jahres 1959 in eine sozialdemokratisch geprägte Familie geboren. Die promovierte Betriebswirtschaftlerin machte vor der Politik Karriere als Bankerin, unter anderem bei der (dann notverstaatlichten) Kommunalkredit, wo sie ab 2004 im Vorstand saß. Zwischen 1997 und 1999 war sie bereits kurz als wirtschaftspolitische Beraterin des damaligen SPÖ-Finanzministers Rudolf Edlinger tätig. Anfang 2007 holte Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) sie als Ministerin ins Unterrichtsressort. Seit 2008 gehörte sie in derselben Funktion der Regierung Faymann an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2013)

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