Tirol: Ausländer abgewiesen, Gästezahl vervielfacht

In Tirol wurden einst Lokale wegen ihrer Türpolitik medial gescholten. Geschadet hat es ihnen nicht.

Es war einmal um die Jahrtausendwende in Innsbruck. In einem schicken Innenstadtcafé wurden drei junge Männer – zwei Türken und ein Grieche – am Eingang abgewiesen. Mit einer lächerlichen, geradezu provokanten Begründung – sie seien keine Stammgäste. Keine große Sache, sollte man meinen. So etwas passiert jeden Tag vor Discos, Bars und Cafés in ganz Österreich.

Für diese drei Männer – allesamt aus der Gastronomiebranche– war es aber eine große Sache. Schließlich waren sie nicht betrunken, hatten sich schick angezogen und wurden noch nie in ihrem Leben eines Lokals verwiesen.

Also wandten sie sich an einen Anwalt, der ihnen aber nicht weiterhelfen konnte. Denn der Betreiber hatte keinen diskriminierenden Grund für die Abweisung genannt. Anschließend sprachen sie bei mehreren Lokalpolitikern vor. Diese zeigten sich zwar durchaus schockiert über den Vorfall, erklärten ihnen aber ebenfalls, dass man rechtlich nichts unternehmen könne – weil nicht nachzuweisen sei, dass sie wegen ihrer ausländischen Herkunft abgewiesen wurden.


Tagelanges Medienspektakel. Aber die Männer gaben nicht auf und informierten die Medien der Stadt über die Demütigung, die ihnen widerfahren war. Die großen Zeitungen griffen den Fall nur allzu gern auf – tagelang ging es in Innsbruck um nichts anderes als um das Lokal, in dem Ausländer offenbar nicht willkommen sind.

Der Betreiber fühlte sich sogar genötigt, in einer öffentlichen Stellungnahme zu betonen, er sei kein Rassist. Er fürchtete nicht nur um seinen guten Ruf, sondern machte sich nach all der negativen Berichterstattung auch um die Zukunft seines Lokals Sorgen. Einen nachvollziehbaren, befriedigenden Grund dafür, warum die Männer nicht in sein Café durften, blieb er allerdings schuldig. Konsequenzen gab es dennoch keine. Schon bald wuchs Gras über die Sache, und die Dinge nahmen wieder ihren gewohnten Lauf.

Einige Jahre später spielte sich in einem der sogenannten Bogenlokale (vergleichbar mit den Gürtellokalen in Wien) etwas ganz Ähnliches ab. Diesmal war es eine Gruppe von Farbigen, die ohne vernünftige Begründung an der Tür abgewiesen wurde und die Welt nicht mehr verstand. Wieder berichteten auflagenstarke Zeitungen darüber. Und wieder wurde die betroffene Bar an den Pranger gestellt. Es gab sogar Boykottaufrufe. Eine Zeit lang hatte die Betreiberin sogar Angst vor Anschlägen auf das Lokal. Auch hier beruhigte sich die Lage nach einigen Wochen.


Schuss ging nach hinten los. Was aber kaum einer weiß: Nach den Medienberichten stiegen die Umsätze in den beiden Lokalen. In den Monaten und Jahren danach vervielfachte sich die Zahl ihrer Gäste. Die Absicht der abgewiesenen Männer und in weiterer Folge auch die der Medien, den Lokalen einen Denkzettel zu verpassen, verfehlte ihre Wirkung nicht nur, sie hatte den umgekehrten Effekt.

Zum einen war es die kostenlose „Werbung“, von der die Lokale profitierten. Und zum anderen hatte man unterschätzt, wie viele Menschen es in Innsbruck (und Umgebung) gibt, die sich gern in Lokalen mit keinen oder wenigen Ausländern aufhalten. Dafür war eine restriktive Türpolitik gar nicht mehr notwendig, denn die ausländische Community hatte man ohnehin schon vergrault.

Mittlerweile hat eines der Lokale expandiert und ein weiteres Café eröffnet. Das andere hingegen wurde geschlossen. Die Betreiberin wollte kürzertreten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Österreich

Die Würde des Mannes ist antastbar – für Türsteher

»Sorry, wir lassen nur noch Frauen herein«: Der Einlassklassiker führte in München fast zum Musterprozess.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.