Nokia präsentiert sein erstes Tablet - ausgerechnet auf Basis des erfolglosen Windows RT. PC-Pionier Microsoft wird Nokia zwar schlucken, ist aber noch nicht im Tablet-Zeitalter angekommen.
Abu Dhabi/Wien. Microsoft hat zwar Windows erfunden, wird heute aber trotzdem nicht gerade regelmäßig mit Innovation in Verbindung gebracht. Dabei hat der scheidende Microsoft-Chef Steve Ballmer schon 2010 ein modernes Tablet vorgestellt. Wochen, bevor Apple sein iPad ankündigte. Und trotzdem musste Microsoft zusehen, wie sich andere Firmen den lukrativen neuen Markt aufteilten.
Fast vier Jahre später hat sich die Lage kaum verbessert – zumindest nicht aus Microsofts Sicht. Und der Konzern antwortet, wie man es von Microsoft schon gewohnt ist: mit einer für Beobachter und Kunden kaum nachvollziehbaren Abfolge neuer Windows-Versionen.
Nachdem einige Tablets mit Windows 7 floppten, brachte der Konzern sein „Slate“ gar nicht erst auf den Markt. Die Microsoft-Strategen waren sich sicher: Es liegt am Betriebssystem, das einfach für Touchscreens ungeeignet ist. Windows 8 sollte die Lösung sein – das erste Windows, das auch für die Tablet-Nutzung optimiert ist. „Surface“, die ersten hauseigenen Tablets, verkauften sich jedoch wieder schlecht.
Windows RT ist Ladenhüter
Microsoft musste trotz drastischer Preissenkungen 900 Mio. Dollar auf die unverkauften Bestände abschreiben. Besonders die Version mit dem abgespeckten Tablet-System Windows RT ist ein Ladenhüter. Dennoch bleibt der Konzern hartnäckig. Am Dienstag enthüllte Nokia-Boss Stephen Elop das erste Tablet des finnischen Handykonzerns – ausgestattet ausgerechnet mit dem bisher erfolglosen Windows RT.
Nokia wird gerade von Microsoft übernommen und Elop ist ein aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge von Steve Ballmer auf dem Chefsessel des Softwarekonzerns. Der schwächelnde Handypionier ist bereits Haus-und-Hof-Produzent für das Betriebssystem namens Windows Phone – der Absatz lässt jedoch auch zu wünschen übrig.
In Zahlen ausgedrückt: Der Marktanteil von Windows Phone lag laut dem IT-Analysehaus IDC im zweiten Quartal bei 3,7 Prozent, der Anteil von Windows 8 am Tablet-Markt bei vier Prozent und Windows RT brachte es überhaupt nur auf einen Anteil von 0,5 Prozent. RT-Tablets dürften bisher vor allem daran gescheitert sein, dass Tablets mit Windows 8 dasselbe können und zusätzlich auch ein vollwertiges Desktop-Betriebssystem bieten.
Nutzer greifen lieber zu dem umfangreicheren Angebot, reagieren aber frustriert: Wer das Desktop-System bevorzugt, landet trotzdem gelegentlich ungewollt in der Tablet-Umgebung und umgekehrt. Auch Microsoft ist der Spagat nicht gelungen, beide Welten zu vereinen. Das „Lumia 2520“ wurde von Elop bewusst anders positioniert. Bei der Präsentation in Abu Dhabi betonte er, dass das Tablet für die Nutzung unterwegs, sprich, nicht für die Nutzung als Computer-Ersatz daheim gedacht ist.
Das Display sei ganz besonders für die Lesbarkeit im Sonnenlicht optimiert und das Gerät nur in einer Version mit Mobilfunk erhältlich. Andere Hersteller bieten in der Regel auch ein reines WLAN-Modell an.
Nokia und Microsoft werden es aber noch aus einem anderen Grund schwer haben, mit dem „Lumia 2520“ auf dem Markt zu reüssieren. Mit dem angekündigten Preis von rund 500 Euro ist das Tablet zwar billiger als Apples gleich großes iPad, aber doch um ein gutes Stück teurer als die kleinen Billigt-Tablets von Google/Asus, Amazon oder Samsung. Die meist sieben bis acht Zoll großen Geräte verkaufen sich gut und zielen auch auf Regionen ab, in denen Analysten für den Tablet-Markt das größte Wachstumspotenzial sehen.
Zumindest Xbox ist erfolgreich
Asus hat die Produktion des günstigen Google-Tablets Nexus 7 im zweiten Quartal sogar Platz drei auf dem Tablet-Markt beschert – hinter Apple und Samsung. Bei Smartphones hat Nokia bereits reagiert und ebenfalls am Dienstag Billig-Smartphones mit Preisen ab 70 Euro vorgestellt, die dennoch alle wesentlichen Funktionen bieten. Die „Asha“-Geräte reichen dem Windows Phone schon beinahe das Wasser, das bis heute bei Weitem nicht an das App-Angebot von Apples' iOS und Googles Android heranreicht. Microsoft hat bisher nur eine Hardware-Erfolgsgeschichte vorzuweisen (sieht man von Mäusen und Tastaturen ab): die Spielkonsole Xbox. Auch da nahm man zuerst Verluste in Kauf.
DAS ERSTE NOKIA-TABLET
Lumia 2520. Am Dienstag hat Nokia in Abu Dhabi sein erstes Tablet präsentiert. Für Microsoft, das die Gerätesparte von Nokia gerade übernimmt, ist es ein weiterer Versuch, auf dem Tablet-Markt zu reüssieren. Es dürfte auch Nokias letzter eigenständiger Auftritt gewesen sein.
Display: 10,1 Zoll, 1920 x 1080 Pixel
Kamera: 6,7 Megapixel
Speicher: 32 Gigabyte, Micro-SD-Slot
Prozessor: Qualcomm Snapdragon 800, 2,2 Gigahertz
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2013)