Das Pensionsalter muss hinauf - das ist so sicher wie das Amen im Gebet

Die Regierungsverhandler würden gern einen Bogen um das Thema machen: Aber in Österreich muss der tatsächliche Antritt der Pension später erfolgen.

Ein paar Tage Schonfrist hat die Regierung noch. Kommende Woche wird die beim Sozialministerium angesiedelte Pensionskommission ihr neues, längerfristiges Gutachten zur Finanzierbarkeit des Systems vorstellen und dabei schon eingeleitete Reformen einrechnen. Allen voran hat Bundeskanzler Faymann im Wahlkampf viel von sicheren Pensionen schwadroniert. Eines lässt sich aber schon jetzt sagen: Unantastbar wird das System nicht sein können, wenn die Menschen immer älter und die Pensionen damit immer länger bezogen werden, weil die Österreicher im internationalen Vergleich rekordverdächtig früh den Ruhestand antreten. Auch wenn es Werner Faymanns neu beschworene Harmonie mit der ÖVP und das konstruktive Klima bei den Koalitionsverhandlungen stören mag. Das wird sich finanziell auf Dauer nicht ausgehen.

Eines muss bei dieser Gelegenheit allerdings auch einmal hervorgestrichen werden. Die weit mehr als zwei Millionen Bezieher großteils gar nicht so üppiger ASVG-Pensionen verdienen Respekt. Sie leisten mit Pensionserhöhungen unter der Teuerungsrate schon einen 2,6-Milliarden-Euro-Beitrag zum Sparpaket.


Umso mehr müssen sich Bezieher von ASVG-Durchschnittspensionen um die 1000 Euro gefrotzelt fühlen, wenn in dem von der Politik gehätschelten Privilegienparadies Nationalbank Bezieher x-fach höherer Pensionen mit Altverträgen sogar einen bescheidenen Solidaritätsbeitrag vor Gericht bekämpfen. Oder wenn der Rechnungshof auflistet, dass Sonderrechte für Bedienstete der Sozialversicherungen noch 1,4 Milliarden Euro an Einsparpotenzial böten. Alles rechtens, heißt es sofort, höchst ungerecht ist es dennoch. Da wird der Regierung und den Österreichern eine lange Nase gedreht.

Das macht es natürlich noch schwieriger, die Bürger zu überzeugen, länger zu arbeiten. Eigentlich bis 72, wie eine Studie des Sozialministeriums zeigt, wenn es keine Zuschüsse aus dem Budget gibt. Nur keine Wellen! Noch wiegelt Sozialminister Rudolf Hundstorfer sogar bei viel weniger weitreichenden Maßnahmen mit dem Hinweis auf die ab dem kommenden Jahr in die Wege geleiteten Änderungen ab.

Der Zugang zur Hacklerfrühpension wird dabei mit Verspätung von mehreren Jahren erschwert. Nur, es wird einige Zeit dauern, bis dadurch die bereits in den vergangenen Jahren angehäuften Mehrkosten hereingebracht werden. Und bei den Invaliditätspensionen muss sich auch erst zeigen, ob durch medizinische und berufliche Rehabilitation tatsächlich der Ansturm gebremst wird und Betroffene länger im Berufsleben bleiben. Oder ob es sich schlicht um eine Maßnahme handelt, mit der die hohe Rate der Invaliditätspensionen in Österreich einfach kaschiert wird.


Eines haben Faymann, Hundstorfer und die voraussichtlich neue rot-schwarze Regierung jedenfalls schon rechtzeitig für die Koalitionsverhandlungen schwarz auf weiß von der Pensionskommission auf dem Tisch. Das durchschnittliche Pensionsantrittsalter ist im Vorjahr mit im Schnitt 58,4 Jahren für Männer und Frauen gerechnet deutlich hinter dem Sollwert von 59 Jahren zurückgeblieben. Von wegen Steigerung des tatsächlichen Pensionsantrittsalters um vier Jahre bis 2020! Das Ziel entstammt eher dem Wünsch-dir-Was von Regierungspolitikern, die sich über eine Legislaturperiode hinwegretten wollen.

Ein zentraler Ansatzpunkt ist aber immerhin gefunden, das tatsächliche Pensionsantrittsalter muss hinauf. Das verkürzt die Dauer des Pensionsbezugs und bringt länger Beiträge. Nur werden sich Regierung und die Sozialpartner dafür mehr einfallen lassen müssen als bisher und so manches Tabu brechen müssen. Sei es bei der schon so oft beschworenen Abflachung der Gehaltskurve bei älteren Beschäftigten, beim gleitenden Übergang in den Ruhestand, aber auch bei Maßnahmen, wenn Betriebe ältere Mitarbeiter gegen deren Willen in die Pension abschieben.

Wenn (Regierungs-)Politiker von sicheren Pensionen sprechen, sollte es heißen: Die Hände in den Schoß zu legen wird nicht reichen. Zumindest das ist so sicher wie das Amen im Gebet.

E-Mails an:karl.ettinger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2013)

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