"Enfant terrible" verhinderte vorerst Iran-Deal

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Es lag offenbar nicht an den Erzfeinden Iran und USA, dass keine Einigung zustande kam, sondern an Frankreich und dessen Maximalforderungen. Entsprechend groß ist in diplomatischen Kreisen die Verärgerung über Paris.

Es war schon nach zehn Uhr abends, als es noch einmal richtig spannend wurde: Alle an den Atomverhandlungen beteiligten Delegationen kamen erneut zusammen, um nach drei Tagen Verhandlungsmarathon am späten Samstagabend doch noch eine Einigung zu erreichen. Die Fieberkurve stieg. Noch nie waren der Iran und die 5+1 – die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates plus Deutschland – einer Lösung so nah.

Fast halb eins war es, als sich die Türen endlich öffneten. Frankreichs Außenminister Laurent Fabius wartete nicht einmal ab, bis Lady Catherine Ashton, die EU-Chefdiplomatin und Verhandlungsführerin, das Ergebnis des zähen Ringens auf einer Abschlusspressekonferenz verkündete. Er tat es gleich selbst – ein Affront, der die Wut auf die Franzosen nur noch verstärkte.

Denn aus diplomatischen Kreisen heißt es übereinstimmend, dass eine Einigung nicht an den Erzfeinden Iran und USA gescheitert ist, die seit mehr als drei Jahrzehnten keine diplomatischen Beziehungen mehr zueinander haben. US-Außenminister John Kerry und sein iranischer Kollege, Mohammed Jawad Zarif, saßen einander freundlich und relativ einträchtig stundenlang am Verhandlungstisch gegenüber – allein das ist schon eine historische Zäsur.

Paris forderte Baustopp in Arak

Das Enfant terrible der Verhandlungen war vielmehr Fabius. Er habe den Westen gespalten, heißt es. Manche sprechen sogar von Sabotage. Frankreich habe sich zwar zuvor nicht bei der Vorbereitung eines Kompromisses eingebracht, wie es heißt, störte sich aber letztlich daran, dass der Entwurf einer Vereinbarung hauptsächlich zwischen Kerry und Sarif ausgehandelt wurde. Paris fühlte sich nicht ausreichend einbezogen.

Der gescheiterte Entwurf sah ein Übergangsabkommen vor. Für ein halbes Jahr sollte das iranische Atomprogramm eingefroren und die Anreicherung von Uran auf 20Prozent gestoppt werden. Der Vorrat an angereichertem Uran sollte reduziert und der Betrieb im Schwerwasserreaktor Arak ausgesetzt werden. Im Gegenzug wurde dem Iran in Aussicht gestellt, dass ein Teil seines eingefrorenen Vermögens im Ausland freigegeben wird. Der Deal würde beiden Seiten Zeit geben, Vertrauen aufzubauen und eine langfristige Lösung zu suchen.

Doch Frankreich fordert einen kompletten Baustopp in Arak. Der Reaktor, erwarten Experten, wird kommenden Sommer fertiggestellt und würde dann bis zu acht Kilogramm Plutonium pro Jahr produzieren – waffenfähiges Material für eine Bombe.

Nächstes Treffen am 20.November

Der Iran hätte sich damit einen zweiten Weg zur Herstellung der Atomwaffe eröffnet, unabhängig von der Urananreicherung. Angeblich soll Arak medizinischen Zwecken dienen. Doch dafür ist dieser Reaktortyp gar nicht geeignet. Gleichzeitig würde ein Militärschlag wegen der Verstrahlungsgefahr für die gesamte Region sehr schwierig. Arak ist somit zu einem Knackpunkt der Verhandlungen geworden, die nun am 20.November fortgesetzt werden, allerdings nur auf Ebene der politischen Direktoren.

Gleichzeitig fordert Frankreich eine völlige Einstellung der Urananreicherung, auch der geringen auf fünf Prozent. Das allerdings schließt Präsident Hassan Rohani aus. „Eine Einstellung der Urananreicherung ist eine rote Linie, die nicht überschritten wird“, sagte der iranische Präsident gestern vor dem Parlament in Teheran. Die iranische Nachrichtenagentur Fars verspottete Fabius als „Pistole schwingenden Frosch“.

Ashton dagegen ließ sich auch nach 15Stunden Verhandlungen nichts anmerken. Sie lächelte nur freundlich und sagte: „Frankreich spielt eine sehr wichtige Rolle bei diesen Verhandlungen. Ich danke allen Außenministern für ihr Kommen.“ Sogar der Iraner Zarif beteuert in seinem abschließenden Statement, er sei mit allen Teilnehmern „sehr glücklich“, denn „wir waren alle auf der gleichen Wellenlänge. Es waren wirklich drei sehr gute Tage.“ Er sei sehr zuversichtlich.

Israel will gegen Abkommen lobbyieren

Auch der britische Außenminister, William Hague, betonte gestern: „Ein Abkommen liegt auf dem Tisch, und es ist möglich.“ Allerdings: Leichter wird es nicht. Die letzten Verhandlungen hatten sich so schnell auf einen Höhepunkt zubewegt, dass die Gegner kaum Zeit hatten, sich zu organisieren. Jetzt aber muss mit kräftigem Gegenwind gerechnet werden. Im US-Kongress hat sich bereits eine Reihe von Abgeordneten in Stellung gebracht. Israels Premier, Benjamin Netanjahu, warnte gestern vor einem „gefährlichen Abkommen“. Und sein Wirtschaftsminister, Naftali Bennett, kündigte eine Kampagne gegen das Abkommen an. Bereits am Dienstag will er dazu in Washington sein.

HINTERGRUND

Der Iran betreibt seit Jahrzehnten ein Atomprogramm. Seit 2003 gibt es aber zunehmend den Verdacht, dass Teheran unter dem Deckmantel eines zivilen Programms Atomwaffen entwickelt. Teheran konnte diesen Vorwurf gegenüber der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien nicht entkräften. Der UN-Sicherheitsrat hat deshalb bereits mehrmals Sanktionen gegen den Iran verabschiedet. Am Wochenende versuchten die fünf ständigen Mitgliedstaaten des Sicherheitsrats plus Deutschland und der Iran den Streit auf Außenministerebene zu lösen – ohne Erfolg.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2013)

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