Umfrage

(Un)sicheres Wiener Nachtleben: 65 Prozent haben Übergriffe erlebt

Die Befragten erzählen unter anderem von sexueller Belästigung, Diebstählen und Betäubungsmitteln.
Die Befragten erzählen unter anderem von sexueller Belästigung, Diebstählen und Betäubungsmitteln.IMAGO/Pablo Gallardo
  • Drucken

Laut einer Umfrage der Vienna Club Commission wurden zwei Drittel der Befragten im Wiener Nachtleben schon einmal sexuell belästigt, diskriminiert und/oder physisch und verbal attackiert. Rund 25 Prozent der Befragten gaben an, dass sie regelmäßig bzw. gelegentlich davon betroffen sind.

Sie gehen aus, um Spaß zu haben und ihr Leben zu genießen, aber dann geht etwas schief. Sie werden auf der Tanzfläche sexuell belästigt, in einen Club ob ihres Aussehens nicht hineingelassen oder sogar physisch attackiert. Von Situationen wie diesen hört man seit langem aus dem Wiener Nachtleben. Die Vienna Club Commission hat sich nun in einer groß angelegten, nicht repräsentativen Online-Umfrage ein Bild über die „Sicherheit im Wiener Nachtleben“ gemacht. Rund 2200 Menschen haben den Fragebogen beantwortet, der in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut Educult erstellt wurde. Über 50 Prozent der Befragten waren zwischen 21 und 30 Jahre alt, rund 60 Prozent weiblich und weiß.

Demnach bewerteten rund 62 Prozent der Befragten ihr Sicherheitsgefühl mit sieben oder höher (zehn ist der beste Wert) und 22 Prozent mit vier oder weniger. Rund 10 Prozent der Befragten fühlen sich auf Veranstaltungen regelmäßig unsicher. Rund 30 Prozent haben gelegentlich ein Unsicherheitsgefühl und 18 Prozent haben sich noch nie unsicher gefühlt.

Insgesamt haben 65 Prozent aller Befragten zumindest einmal schon im Nachtleben persönlich eine Diskriminierung, Belästigung oder einen Übergriff erlebt. Rund 25 Prozent der Befragten gaben an, dass sie regelmäßig bzw. gelegentlich davon betroffen sind.

Acht Prozent wurden KO-Tropfen und Betäubungsmittel verabreicht

Im Detail gaben 50 Prozent an (Mehrfachnennung möglich), schon einmal sexuell belästigt worden zu sein, neun Prozent berichteten gar von einem sexuellen Übergriff und acht Prozent davon, dass ihnen unwissentlich KO-Tropfen oder Betäubungsmittel verabreicht wurden. 20 Prozent wurden verbal attackiert, 23 Prozent physisch angegriffen. Elf Prozent gaben an, dass ihnen der Einlass schon einmal verweigert wurde.

Aufgeschlüsselt nach Alter zeigt sich, dass sich junge Menschen zwischen 14 und 18 Jahren im Wiener Nachtleben allgemein unsicherer fühlen als ältere Besucherinnen und Besucher.

Die Umfrage ist die erste ihrer Art. Bisher gab es keine Daten zu den Erlebnissen im Wiener Nachtleben. Martina Brunner, Geschäftsführerin der Vienna Club Commission, betonte in einer Aussendung, dass die Wiener Nachtszene nicht müde werden dürfe, „die Strukturen – auch die eigenen – kritisch zu hinterfragen“ und Probleme auch anzusprechen. „Vor allem im Club und auf Veranstaltungen, weil das für viele Personen Zufluchtsorte der Nacht sind, um dem Alltag zu entfliehen.“

Clubszene in Aufruhr

Nachdem zuletzt mehrfach Vorwürfe von Übergriffen im Clubbereich bekannt wurden, haben sich bereits am Dienstag Interessensvertreter der Szene zum Thema Gewaltschutz an die Öffentlichkeit gewandt. Die IG Club Kultur, AwA* (Wien), awa_graz (Graz) und das EAT Network sowie der Verein Arche* Awareness (Innsbruck) sprechen sich für Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen bei Förderungen und im Veranstaltungsgesetz aus. Zudem brauche es einen Ausbau der Bildungsarbeit.

Mit dem Forderungspapier wolle man eine Diskussion anstoßen, hieß es in einer Aussendung. Zudem fordere man damit „Politik, Verwaltung, aber auch die eigene(n) Szene(n) zum aktiven Handeln auf“. Die vollständige Forderungsliste findet sich auf der Website der IG Club Kultur (https://clubkultur.org/), wo auch dazu aufgerufen wird, diese öffentlich zu unterstützen. Klar sei, dass die publik gewordenen Fälle von sexuellen Übergriffen „nur die Spitze des Eisbergs“ seien und „die Notwendigkeit eines strukturellen Wandels“ aufzeigen.

Die Wiener Grünen unterstützen via Aussendung das Vorhaben. „Es muss unser aller Anliegen sein, sexualisierte Gewalt zu verhindern und Strukturen zu schaffen, die Betroffene sofort auffangen, wenn sie passiert. Deshalb braucht es klare Vorgaben zum Gewaltschutz im Wiener Veranstaltungsgesetz und in den Förderverträgen der Stadt Wien“, so Frauensprecherin Viktoria Spielmann.

„Ich bin dein Rettungsanker“

Die Vienna Club Commission kooperiert bereits mit der Initiative „Ich bin dein Rettungsanker“ - um unter anderem Schulungen in Clubs und Lokalen zum Thema sexuelle Belästigung anzubieten. Das teilten Frauenstadträtin Kathrin Gaal und Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (beide SPÖ) am Montag mit. Zur Kampagne gehören auch Videos, Plakate oder Flyer. Zuletzt gab es verstärkt Berichte über entsprechende Vorfälle in Clubs.

Die Kooperation solle dazu beitragen, dass unbeschwert gefeiert und getanzt werden könne, hieß es. Die Schulungen werden für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angeboten. Ziel sei es, noch breiter als bisher das Bewusstsein für die Themen Gewaltschutz und sexuelle Belästigung zu schaffen und konkrete Handlungsoptionen für das Personal aufzuzeigen, um Betroffene zu unterstützen.

„Ich bin dein Rettungsanker“ ist eine Aktion des Frauenservice Wien. Die Initiative wurde am Donauinselfest 2018 gestartet. Auch in Bädern oder bei den Wiener Linien ist man aktiv. Laut Aussendung wurden bisher 1.500 Menschen im Rahmen der Kampagne geschult.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.