Schmerz und Erleichterung: Die Tragik des Übrigbleibens

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Schauspielerin Cornelia Köndgen blickt in ihrem Buch "Mit einem kleinen Schuss ins Rot" auf ihre 35-jährige Ehe mit Ludwig Hirsch zurück.

Im Jahr 1980 wurde Ludwig Hirsch mit dem deutschen Schallplattenpreis ausgezeichnet – dem wichtigsten Preis seiner Karriere. In Erinnerung geblieben dürfte ihm jener Abend im Berliner Theater des Westens aber wegen einer anderen Sache sein. Nur wenige Minuten vor seinem Auftritt fiel in seiner Garderobe seine Frau, Cornelia Köndgen, in Ohnmacht. Und erfuhr kurz darauf den Grund dafür – sie war schwanger. Eine von zahlreichen persönlichen Anekdoten, über die Köndgen in ihrem am Donnerstag erschienenen Buch „Mit einem kleinen Schuss ins Rot“ schreibt.

Eindringlich und behutsam zugleich erzählt die Schauspielerin und Psychoanalytikerin von ihrer 35-jährigen Ehe mit dem Sänger, Schauspieler und Autor, der vor zwei Jahren Suizid beging. Sie berichtet von ihren gemeinsamen Anfängen am Wiener Theater in der Josefstadt und spannt einen Bogen über die Stars der Vorkriegsära an einem bürgerlichen Theater bis hin zu den letzten Drehtagen in den Sieveringer Wienfilm-Studios in den 70er-Jahren.

Mit großem Gespür für menschliche und künstlerische Nuancen versteht Köndgen, die Höhepunkte und auch Enttäuschungen ihrer beider Karrieren zu skizzieren. Und erzählt von den Bemühungen, Familie und Karriere unter einen Hut zu bringen, vom gesellschaftlichen Umbruch in Österreich nach der Jahrtausendwende und den letzten Jahren mit Krankheit und Abschied.

„Ich wollte keine Biografie schreiben. Informationen wiederzugeben, die man überall nachlesen kann, hätte mich nicht interessiert. Und den Leser auch nicht“, sagt die 55-Jährige. „Es sollte ein persönliches Buch werden. Mit wichtigen Stationen unseres Lebens. Dafür bin ich in einen inneren Dialog getreten und habe versucht, rückblickend zu beurteilen, was die Ereignisse unserer gemeinsamen Jahre mit mir gemacht und wie sie mich verändert haben.“

Dafür sei sie aber durch „sehr schmerzhafte Phasen“ gegangen, habe sich tagelang abgeschottet, mit niemandem gesprochen und sich ganz und gar auf ihre Erinnerungen konzentriert. „Es gab aber auch Phasen der Erleichterung“, betont die Schauspielerin. „Dieses Buch zu schreiben hatte am Ende sogar eine heilende Wirkung auf mich und bedeutet hoffentlich den ersten Schritt in ein neues Leben. Eines ohne Ludwig Hirsch.“ Denn übrig zu bleiben sei die große Tragik am Verlust eines geliebten Menschen – die Tatsache, sein Leben ohne diesen Menschen fortführen zu müssen.

„Manchmal kommen Bekannte zu mir und sagen: Es ist eh schon zwei Jahre her. Sie meinen es gut, aber nach so einer langen Ehe sind zwei Jahre gar nichts“, so Köndgen. „Auch nach zehn Jahren wird die Trauer nicht verschwinden. Sie wird nie verschwinden. Und wenn es wieder einmal unerträglich wird und mich auch noch Schuldgefühle übermannen, rede ich mit meinem Sohn darüber. Wir entlasten uns dann beide gegenseitig. Denn objektiv betrachtet haben wir nichts verschuldet.“ Ablenkung findet die gebürtige Deutsche vor allem in ihrer Arbeit. „Filme zu drehen und Theater zu spielen tut mir gut. Vor allem das Theaterensemble, dem ich angehöre, ist wie eine Familie, in der ich mich sehr geborgen fühle.“


Etwas überrascht hätten sie die ersten Reaktionen auf das Buch, so Köndgen: „Manche Leute haben wohl ein Tussenbuch erwartet. Über eine Frau an der Seite eines erfolgreichen Mannes, deren Alltag daraus besteht, Däumchen zu drehen, zum Friseur und auf Partys zu gehen.“ Aber Ludwig Hirsch sei nie auf Partys gegangen. „Außer er musste wegen eines geschäftlichen Termins.“

Bleibt die Frage nach dem ungewöhnlichen Titel des Buchs. „Die Menschen haben Ludwig stets mit den Farben Dunkelgrau und Schwarz in Verbindung gebracht“, erklärt Köndgen. „Ich hingegen kannte ihn auch anders und wollte auf die Farbe Rot in seinem Leben aufmerksam machen. Wobei ich es den Lesern überlassen möchte, ob sie diese Farbe mit Liebe, Blut oder Widerstand assoziieren wollen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2013)

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