Her mit 1,6 Prozent mehr Gehalt für die Beamten

Eine mutige Regierung würde heute logischerweise eine Lohnerhöhung um 1,6 Prozent notfalls allein beschließen. Neugebauer soll dann demonstrieren.

Als wäre die Vorweihnachtszeit nicht stressig genug: Jetzt jagt auch eine Unmutskundgebung von Kritikern der neuen Ressortaufteilung in der auf ÖVP-Seite mit gehörig neuem Ministerblut aufgefrischten Regierung die andere. Die Protestaktion am Montag zur Angelobung des Kabinetts Faymann II in der Hofburg war bloß ein schwaches Lebenszeichen, dass es aufmüpfige Studierende gibt. Der heutige Protestzug der Hochschülerschaft wird größer ausfallen. Am Mittwoch wird Fritz Neugebauer mit seinen Beamtengewerkschaftern unterstützt von den Gemeindebediensteten im wahrsten Sinn des Wortes demonstrieren, wie man tausende Beamte und Vertragsbedienstete vor dem Kanzleramt aufmarschieren lässt.

Dabei wäre diese (Macht-)Demonstration der öffentlich Bediensteten gar nicht nötig. Ganz Österreich weiß, dass Neugebauer bei Bedarf jederzeit vom Portier im Bundeskanzleramt bis zur Lehrerin an der Kooperativen Mittelschule in Ottakring „seine“ Leute für Proteste auf die Straße bringen kann. Die Demonstration morgen, Mittwoch, hätte der Langzeitbeamtenchef sich, der neuen Regierung und den Wienern dennoch ersparen können.


Die Lösung bei der Lohnerhöhung für 340.000Beamte und Vertragsbedienstete in Bund, Ländern und Gemeinden liegt garantiert nicht auf der Straße. Sie wäre aber einfach zu erzielen und könnte von der Regierung und Neugebauer vernünftig denkenden Österreichern erklärt werden. Dafür müssten die Gehälter ab Jänner um 1,6 Prozent erhöht werden.

Warum gerade um 1,6 Prozent? Kanzler Faymann wollte nach eigener Aussage am Sonntagabend dem öffentlichen Dienst bis 1,7 Prozent mehr Gehalt zugestehen. Das ist mehr, als zuletzt angeboten wurde. Für 1,6 Prozent spricht, dass die Pensionen (auch jene der Beamten) im kommenden Jahr um 1,6 Prozent und somit um 0,8 Prozentpunkte unter der Teuerungsrate erhöht werden. Und auch die Politikergehälter steigen um 1,6 Prozent.

Für Neugebauer und seinen roten Mitverhandler, Christian Meidlinger von den Gemeindebediensteten, wäre eine 1,6-prozentige Gehaltserhöhung intern argumentierbar. Erstens: Auch Zeitgenossen, die schon beim Namen Neugebauer einen erhöhten Speichelfluss wie der Pawlow'sche Hund bekommen, müssen einsehen, dass nach der heurigen Nulllohnrunde im Bundesdienst eine Anhebung gerechtfertigt ist. Entgegen manchen Pauschalurteilen sind Beamte in der Verwaltung in der Minderzahl, selbst diese sind mehrheitlich nicht geborene „Obezahrer“. Außerdem geht es bei der Gehaltsrunde um die Löhne tausender Polizisten, Krankenschwestern oder etwa auch Juristen im öffentlichen Dienst.


Neugebauer und Meidlinger müssen in Zeiten wie diesen mit Rekordarbeitslosenzahlen einsehen: Öffentlich Bedienstete haben einen pragmatisierten oder viel besser gesicherten Arbeitsplatz als die meisten Beschäftigten in der Privatwirtschaft. Nach der lobenswerten, weil auch nachhaltig über Jahre wirkenden Nulllohnrunde 2013 als Beitrag der Beamten zur Budgetkonsolidierung können die Gewerkschafter einen Abschluss wie bei Pensionisten unter der Teuerungsrate daher intern bei gutem Willen argumentieren.

Allerdings dürfte ein Abschluss nur gemeinsam mit einer Zusatzvereinbarung erfolgen. Die Politik, also die neue Bundesregierung, muss sich darin verpflichten, den Aufgabenkatalog für die öffentlich Bediensteten kräftig zu durchforsten. Dafür müssten verpflichtend von der rot-schwarzen Regierung bis Ende März 2014 genaue Pläne auf den Tisch.

Bis zum Ende der Nationalratssitzung heute, Dienstag, ist noch immer Zeit für einen Kompromiss, den der neue Kanzleramtsminister Josef Ostermayer so schätzt. Er sollte daher ein allerletztes Mal mit Neugebauer sprechen. Und wenn alles fehlschlägt? Dann sollten SPÖ und ÖVP ohne vorherige Einigung mit der Gewerkschaft die Erhöhung der Gehälter um 1,6 Prozent im Nationalrat beschließen. Beim neuen Lehrerdienstrecht macht es die Koalition heute auch. Dann sollen Neugebauer und Co. gegen einen solchen Bruch der Sozialpartnerschaft und gegen eine Gehaltserhöhung um 1,6 Prozent ruhig demonstrieren.

E-Mails an:karl.ettinger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2013)

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