Die erste Bewährungsprobe für die Bankenunion kommt 2014, wenn die EZB-Aufsicht die Bilanzen der europäischen Geldhäuser durchleuchtet. Kleine Sparguthaben sollen bis dahin erhöhten Schutz genießen.
Brüssel. Der größte Transfer finanzpolitischer Souveränität seit der Einführung des Euro ist ein hochkomplexes Gebilde, das selbst hartgesottene Eurokraten zur Verzweiflung bringt – die Rede ist von der Bankenunion, deren letzte Details in der Nacht auf Donnerstag in Brüssel nach zwölfstündigen Beratungen beschlossen wurden. Ihr Zweck ist die Verhinderung von Bankenkrisen wie in Irland oder Spanien, die beide Länder in die Knie zwangen und die Troika auf den Plan riefen.
1 Was sind die Eckpunkte der Bankenunion?
Sie besteht aus drei Elementen: einer bei der EZB angesiedelten Aufsicht über die 128 wichtigsten Geldhäuser, eines Mechanismus zur Abwicklung angeschlagener Banken (dessen Modalitäten waren bis zuletzt heiß umstritten) sowie einer Einlagensicherung. Bei einer Abwicklung kommen neue Regeln für die Haftung von Eigentümern und Gläubigern einer Bank (BRRD) zum Einsatz.
2 Welche Länder nehmen daran teil?
Verpflichtend alle Mitglieder der Eurozone, andere EU-Mitglieder auf freiwilliger Basis.
3 Wann geht es los?
Die Bankenaufsicht nimmt ihre Arbeit Ende 2014 auf, die restlichen Elemente sollen 2015 bzw. 2016 folgen – wobei es eine zehnjährige Übergangsfrist für die Auffüllung diverser Hilfsfonds gibt.
4 Wie funktioniert die Abwicklung einer Bank in der Praxis?
Gemäß BRRD kommen zuerst Aktionäre sowie Besitzer von Anleihen und großer Konten zum Handkuss. Übersteigt der Schaden acht Prozent der Bilanzsumme, greift als Nächstes der Hilfsfonds des Abwicklungsmechanismus ein, der aus Beiträgen der Banken gespeist wird und binnen zehn Jahren 55 Mrd. Euro umfassen soll. Der Fonds wird dabei schrittweise vereinheitlicht, voraussichtlich bis 2025 fungiert er als Netzwerk nationaler Töpfe mit eingeschränkter Verfügbarkeit. Eine belgische Bank hätte damit vorerst keinen Anspruch auf den deutschen Anteil.
5 Reichen die Mittel im Fonds aus?
Eher nicht. Von 2008 bis 2011 hat die Rekapitalisierung von EU-Banken 322 Mrd. Euro verschlungen, allein die Rettung der Anglo Irish Bank 2009 kostete 30 Mrd. Euro – allerdings ohne Bail-in der Gläubiger. Im Fall des Falles müssten wohl trotzdem Steuergelder zum Einsatz kommen: in der Übergangszeit im Rahmen eines Kredits des Euro-Rettungsschirms ESM an die Regierung des betroffenen Landes nach spanischem Vorbild, ab 2025 über einen direkten „Backstop“, der aber noch verhandelt werden muss. Die Bewährungsprobe kommt aber bereits 2014, wenn die Aufsicht die Ergebnisse ihrer Stresstests bekannt gibt – dann wird sich weisen, wie groß die Löcher in den Bankbilanzen sind.
6 Bleiben kleinere Sparguthaben weiterhin verschont?
Die Einlagensicherung gilt grundsätzlich für Guthaben bis 100.000 Euro – der Anteil der Ersparnisse, der dieses Limit überschreitet, könnte also im Ernstfall einem „Haircut“ unterliegen, so wie das im Frühjahr 2013 auf Zypern der Fall war. Die in der Nacht zum Mittwoch beschlossenen Regeln für die Einlagensicherung sehen aber Ausnahmen vor: etwa beim Verkauf von Immobilien, der Auszahlung einer Versicherung oder einer Erbschaft. Die Frist, innerhalb der Kunden einer insolventen Bank ihr Erspartes zurückerhalten, wird bis 2024 von derzeit 20 auf sieben Werktage verkürzt – das Geld dafür kommt übrigens aus einem von den Banken dotierten nationalen Fonds, dessen Umfang 0,8 Prozent aller gesicherten Einlagen entsprechen soll. Zugleich werden die Banken dazu verpflichtet, ihre Kunden über die Regeln der Einlagensicherung zu informieren.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2013)