Skispringen: Die Erben von Adam Malysz

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Kamil Stoch oder Jan Ziobro lassen Polen nach Siegen in Engelberg vom Tourneesieg träumen. Schlierenzauer wurde Vierter, die ÖSV-Adler enttäuschen erneut.

Engelberg/Wien. Kamil Stoch ist der große Gewinner der Generalprobe für die Vierschanzentournee. Er landete in Engelberg zweimal auf dem Podest, dem zweiten Platz am Samstag ließ der Pole, 26, den Sieg folgen. Er siegte vor Andreas Wellinger (GER) und Samstags-Sensation Jan Ziobro. Damit ist Stoch weiter Führender im Gesamtweltcup und Tourneefavorit. Er wäre der erste polnische Triumphator nach Adam Malysz, der den Schanzenklassiker 2001 gewann.

Für Österreich endete der Weltcup in Engelberg ernüchternd. Zweimal sprangen die Adler am Podest vorbei, selbst Gregor Schlierenzauer, der stets die eklatante Schwäche seiner Kollegen in dieser Saison kaschiert hat, musste sich mit dem vierten Platz begnügen. Ein Versprechen gab hingegen der Tullner Thomas Diethart, 21, mit den Plätzen vier und sechs ab. Er sollte im Tourneekader, den Cheftrainer Alexander Pointner heute bekannt geben wird, aufscheinen. Damit dringend benötigter frischer Wind im Adlerhorst Einzug hält.

Stochs neunter Weltcupsieg bestätigte den Aufwärtstrend der Erben von Adam Malysz. Durch den Dachdecker aus Wisla hat dieser Sport in Polen 2000 einen enormen Aufschwung erlebt, Weltcups in Zakopane gelten seitdem als Zuschauermagnet – nach Maslysz' Karriereende 2011 aber blieben Siege aus. Durch enorme Anstrengungen im Nachwuchs, das mehrfache Engagement routinierter Trainer (u. a. Heinz Kuttin, Ex-ÖSV-Coach Hannu Lepistö) und eine aktuell besonders geschickte Nähkunst bei den Anzügen sind die Polen wieder obenauf. Stoch gewann in Val di Fiemme schon WM-Gold auf der Großschanze, nun träumt er vom Tourneesieg. „Ich kann noch weiter springen, habe Reserven. Mir gelingt seit der WM fast alles.“

Im ÖSV-Team hingegen gelingt nicht mehr alles. Schlierenzauer ist die Ausnahme, aber dahinter klafft ein Loch. Loitzl, Kofler, Fettner etc. sind meilenweit von der gewohnten Form entfernt. Morgenstern leckt nach dem Sturz in Titisee-Neustadt seine Wunden, die Genesung aber schreitet sehr gut voran – er wird wohl bei der Tournee mitspringen. Schlierenzauer (52 Weltcupsiege) unterliegt Leistungsschwankungen, hat Probleme bei der Anfahrt und mit dem Material. Bei Siegsprüngen ist mit ihm zu rechnen – mit allen anderen aber nicht.

„Die jungen Springer bekommen nun ihre Chance“, sagt ÖSV-Direktor Ernst Vettori, ohne Pointner vorgreifen zu wollen. Fünf Tourneesiege in Serie seien keineswegs selbstverständlich, der sechste erscheint angesichts der Turbulenzen höchst unwahrscheinlich. Außer, Schlierenzauer gelingt der Hattrick. Ein Kunststück, das vor ihm nur der Norweger Björn Wirkola (1967–1969) geschafft hat.

Bei der Qual dieser Personalfrage erhielt Pointner Unterstützung. Michael Hayböck sicherte dem ÖSV mit Siegen im Kontinentalcup den siebenten Tourneestartplatz.

Ergebnisse Engelberg

1. Kamil Stoch (POL) 274,7 (132/130)
2. Andreas Wellinger (GER) 270,8 (131/129,5)
3. Jan Ziobro (POL) 270 (128/133)
Weiters, 4. Schlierenzauer 268,4 (133/128,5), 6. Diethart 264,2 (127,5/128), 7. Loitzl 262,6 (132/126), 13. Kraft 256,9 (128,5/130), 14. Kofler (AUT) 254,3.

Gesamtweltcup: 1. Stoch 410, 2. Schlierenzauer 352.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2013)

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