Tournee: Von der Euphorie rund um vier Schanzen

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Ein Laserstrahl soll die 62. Auflage des Schanzenklassikers für Zuschauer begreifbar machen. Die "Flugsaurier" Schmitt und Okabe feiern ihr Comeback. ÖSV-Newcomer Thomas Diethart, 21, will einfach nur überraschen.

Oberstdorf. Mit der Vierschanzentournee hebt die Skisprungsaison in die entscheidende Phase ab. Obwohl in diesem Winter die Planungen vor allem für die Winterspiele in Sotschi (ab 7. Februar) ausgerichtet worden sind, ist die 62. Auflage des Schanzenklassikers einer der Höhepunkte. Und diesmal vermischen sich Tradition in Oberstdorf (Qualifikation ab Samstag, 16 Uhr), Garmisch-Partenkirchen (1. Jänner), Innsbruck (4. Jänner) und Bischofshofen am Dreikönigstag mit moderner Technologie in Form eines Laserstrahls, weil Skisprungveteranen wie Martin Schmitt (35) oder der Japaner Takanobu Okabe (43) ihr Comeback feiern. Es warten Rekordpreisgelder und der „Erstflug“ von Thomas Diethart, 21.

Nach erfolgreichen Tests in Titisee-Neustadt wird in Oberstdorf erstmals die aus Fernsehübertragungen bekannte Linie auch für Zuschauer in der Arena eingeblendet. Ob sich eine der anderen drei Stationen der Tournee noch anschließt, ist allerdings fraglich. Der Spaß hat seinen Preis: Pro Event ist er mit ca. 8000 Euro veranschlagt. Geld, das mancher Veranstalter „sinnvoller investieren“ will, wie ein Funktionär der „Presse“ verriet.

„Skispringen ist keine Show“

Der grüne Strich zeigt die Weite an, die es zu schlagen gilt. So soll der durch unzählige Regeländerungen unverständlich gewordene Sport kurzerhand begreifbarer werden. FIS-Direktor Walter Hofer sagt: „Es ist unser Ziel, die Transparenz für die Zuschauer zu erhöhen.“ Skispringen avanciere damit „keineswegs zur Show“, sagt Hofer, der gesondert Wert auf die Begriffe Seriosität, Vertrauen und Sport legt. Darum lehnte er es auch entschieden ab, dass „Eddie the Eagle“ Edwards den Vorspringer spielt. Das sei nicht vertretbar, gefährlich und nur ein Marketinggag. Der 50-jährige Brite ist trotzdem dabei. Er hebt auf einer Show-Schanze mit Kindern ab.

Ob die Tournee ein Wintersportklassiker ist, wurde zuletzt aufgrund sinkender Preisgelder oder des Absprungs großer TV-Sender wie RTL hinterfragt. Parallel feierten die Langläufer mit ihrer „Tour de Ski“ große Erfolge, nun legt die Schanzenabteilung nach. Mit dem Rekordpreisgeld von 315.000 Schweizer Franken (257.600 Euro) und einer Jackpot-Regelung für die Sieger der Qualifikationsrunden (pro Station 2000 Euro) erhofft sich Hofer einen „Push“. Sowohl für seine Athleten als auch für die Sportart, damit ewigen Nörglern endgültig der Wind aus den Segeln genommen wird.

Wie im Vorjahr ist der Tourneesieg mit 16.350 Euro dotiert, dazu gibt es den goldenen Tournee-Adler, den Gregor Schlierenzauer als Erster in Empfang nehmen durfte. Auf Tagessieger warten 8200 Euro, doch davon will der 21-jährige Thomas Diethart noch nichts wissen. Er ist froh, „überhaupt dabei zu sein“, sagt der Nachwuchsspringer, der erst in Engelberg sein Weltcupdebüt gefeiert und sich mit seinen Leistungen (4. und 6. Platz) sofort für höhere Aufgaben empfohlen hat. Diethart schließt damit nahtlos an den Aufstieg seiner Vorgänger in das ÖSV-Team an. Er schulte sein Können in Stams, verdiente sich seine Sporen im Nachwuchs-, Fis- und Kontinentalcup. Der große Unterschied zu allen anderen ist aber seine Herkunft: Er ist Niederösterreicher, aus Michelhausen im Tullnerfeld.

Spuren von Björn Wirkola

Sein Vater unterstützte das Vorhaben des Sohnes, Skispringer zu werden, tatkräftig. Er fuhr ihn stets zum Training nach Hinzenbach, akzeptierte später den Wechsel des Wohnortes (Matrei am Brenner) seines Filius und Thomas Diethart bestätigte das Vertrauen mit seinen Sprüngen.

Diethart ist einer von sieben ÖSV-Springern, der Fokus liegt natürlich auf Titelverteidiger Schlierenzauer. Der Tiroler hat 52 Weltcupsiege zu Buche stehen und nun die Chance, den Tournee-Hattrick zu landen. Das ist bislang nur dem Norweger Björn Wirkola (1967 bis 1969) gelungen. Auch deshalb sprach der Tiroler zuletzt nicht nur von Olympiagold in Sotschi, „diese Medaille fehlt noch in meinem Set“, sondern auch von der Tournee. Er will auch in dieser Statistik als Nummer eins aufscheinen.

Einen Wettkampf aber dürfte selbst Schlierenzauer nicht gewinnen, den Wettlauf gegen die Zeit und Takanobu Okabe. Der Japaner gab sein Weltcupdebüt 1989, er gewann 1995 WM- und 1998 Olympiagold. Der „Schanzen-Saurier“ rückte nach verletzungsbedingten Ausfällen ins Teamaufgebot, bildet mit Noriaki Kasai (41) das Oldie-Duett. Dass der Tiroler auch noch als 40-Jähriger von der Schanze springt, ist wohl eher ausgeschlossen...

AUF EINEN BLICK

Cheftrainer Alexander Pointner nominierte sieben Springer für die am Samstag mit der Qualifikation in Oberstdorf startende 62. Vierschanzentournee: Gregor Schlierenzauer, Andreas Kofler, Wolfgang Loitzl, Thomas Diethart, Stefan Kraft, Michael Hayböck – und den nach dem Sturz von Titisee-Neustadt pausierenden Thomas Morgenstern.

Bei Morgenstern wurde eine Schiene angepasst, Checks verliefen positiv. Der Kärntner wird damit definitiv am Tourneestart teilnehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2013)

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