Der türkische Premier versuche "alles niederzumachen", um sich an der Macht zu halten, kritisiert der deutsche EU-Abgeordnete Elmar Brok.
Die Korruptionsaffäre und neuerliche Proteste halten die Türkei derzeit in Atem. Hinzu kommt nun scharfe Kritik aus dem Ausland: So betonte der deutsche EU-Abgeordnete Elmar Brok (CDU) am Samstag, Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan habe "seinen Zenit überschritten". Die Türkei gehe "in sehr unsichere und instabile Zeiten", bedauerte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament gegenüber dem "Deutschlandfunk".
Der türkische Premier versuche jedoch, "alle Mittel einzusetzen, alles niederzumachen", um sich an der Macht zu halten, so Brok. In der Türkei werde es "einen dramatischen Glaubwürdigkeitsverlust" geben, prophezeite er. "Große Teile, die einen säkularen Staat haben wollen, die einen sauberen Staat haben wollen, wenden sich ab." Zudem werde es Erdoğan "weiter schwächen", wenn nun wirtschaftliche Erfolge nachließen und ausländische Investitionen abgezogen würden.
Türkei darf nicht "in islamistischen Prozess abrutschen"
Zur EU-Perspektive der Türkei meinte Brok, "nicht der Beitritt" sei das Ziel, "sondern eine enge Bindung im Rahmen einer europäischen Wirtschaftsrunde". Es sei wichtig "dass die Türkei im westlichen Lager bleibt, dass sie nicht in einen islamistischen Prozess abrutscht". "Ich glaube, die Türkei ist heute für uns strategisch von größerer Bedeutung als noch zur Zeit des Kalten Kriegs", sagte Brok.
Korruptionsaffäre
Bei dem Skandal geht es um Schmiergeldzahlungen bei Bauaufträgen sowie um illegale Geschäfte mit dem Iran. Vor rund einer Woche wurden deswegen bei einer Großrazzia unter anderem die Söhne des Innen-, des Wirtschafts- und des Umweltministers festgenommen, dazu der Chef der staatlichen Halkbank. Kurz darauf trat Umweltminister Bayraktar zurück. Premier Erdoğan trat die Flucht nach vorn an und tauschte am Donnerstag die Hälfte seiner Regierung aus. Am Freitag traten dann drei Abgeordnete, darunter der frühere Kulturminister, aus der regierenden AK-Partei aus.
Der Konflikt weitet sich zu einer Machtprobe zwischen der Regierung und dem Justizapparat aus. Die Autorität des seit 2002 amtierenden Erdoğan ist vier Monate vor den Kommunalwahlen angeschlagen. In Istanbul und Ankara ging die Polizei am Freitag gewaltsam gegen tausende Demonstranten vor.
(APA/AFP/Red.)