Kiew: Massenproteste nach Angriff auf Ex-Innenminister

UKRAINE EU PROTEST
UKRAINE EU PROTEST APA/EPA/SERGEY DOLZHENKO
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Der ukrainische Oppositionsführer Juri Luzenko wurde von der Polizei niedergeknüppelt. Am Sonntag protestierten Zehntausende.

Nach dem Angriff auf den ukrainischen Oppositionsführer Juri Luzenko sind in der Hauptstadt Kiew zehntausende Menschen auf die Straße gegangen. Rund 50.000 Anhänger der proeuropäischen Opposition versammelten sich am Sonntag auf dem zentralen Unabhängigkeitsplatz ("Maidan"), um gegen die Misshandlung des früheren Innenministers durch die Polizei zu protestieren. Der 49-Jährige war am Freitagabend bei Protesten von der Polizei niedergeschlagen worden. Die Polizisten hätten zehn Mal Luzenko mit dem Knüppel auf den Kopf geschlagen, sagte seine Sprecherin. Er habe am Samstagabend die Intensivstation verlassen können, doch dürften ihn vorerst nur seine engsten Verwandten besuchen.

Luzenko war Innenminister in der Regierung von Julia Timoschenko und zählt zu den engsten Vertrauten der früheren Ministerpräsidentin, die nach einem von Kritikern als politisch motiviert gewerteten Prozess im Gefängnis sitzt.

Wie Timoschenko war Luzenko im Jahr 2010 zu einer Haftstrafe verurteilt worden, doch wurde er im April 2013 auf Druck der EU begnadigt und freigelassen. "Wenn die Polizei nicht einmal davor zurückschreckt, ihren früheren Boss zu schlagen, zeigt dies, dass die Behörden jene einzuschüchtern suchen, die sich gegen sie zu erheben wagen", sagte der Rentner Anatoli Radjuk bei den Protesten am Sonntag.

Vitali Klitschko ruft zu Streiks auf

Der Oppositionsführer Vitali Klitschko rief zu landesweiten Streiks auf. "Wir beginnen mit einem kurzen Warnstreik. Wenn die Regierung uns nicht erhört, dann wird er erheblich länger werden", kündigte der Boxweltmeister am Sonntag vor Demonstranten an. In einer gemeinsamen Erklärung mit den Parteiführern Arsenij Jazenjuk und Oleg Tiagnibok rief er auch zu weiteren Protesten gegen Präsident Viktor Janukowitsch auf. Der aktuelle Vorfall zeige, dass die Demonstrationen weitergehen müssten. "Wir werden alles tun, um die Regierung zu beseitigen und ein System zu ändern, das der Polizei erlaubt, die Menschen aufgrund verrückter Befehle zu schlagen", hieß es in der Erklärung.

Einige hundert nationalistische und proeuropäische Demonstranten hatten sich am Freitagabend vor einem Gericht in Kiew versammelt, das drei Regierungsgegner wegen eines angeblich geplanten Sprengstoffanschlags auf eine Lenin-Statue zu sechs Jahren Haft verurteilt hatte. Laut dem russischen Staatsfernsehen eskalierte die Gewalt, als Demonstranten die Polizei mit Steinen bewarfen, um sie am Abtransport der Verurteilten zu hindern.

Luzenkos Frau Irina sagte dem Oppositionssender Hromadske, ihr Mann habe versucht, die Gewalt zu verhindern, sei aber von der Polizei mit Stöcken auf den Kopf geschlagen worden. Er habe eine Gehirnerschütterung erlitten und sei zur Beobachtung auf die Intensivstation gebracht worden. Ukrainische Oppositionsseiten zeigten Bilder des 49-Jährigen mit einem Verband um den Kopf und einem Pflaster über dem Auge.

Mehrere Verletzte

Auch bei Zusammenstößen zwischen Regierungsgegnern und Polizei am Samstag wurden mindestens zehn Menschen verletzt.

Auslöser der Protestbewegung in der Ukraine war die Entscheidung Janukowitschs im November, ein lang geplantes Assoziierungsabkommen mit der EU nicht zu unterzeichnen. Der Präsident handelte dabei offenbar auf Druck Russlands, das ihm anschließend einen Milliardenkredit und einen Preisnachlass bei Gaslieferungen gewährte. Wegen der Neujahrs- und Weihnachtsfeiertage hatten die Proteste zuletzt deutlich an Schwung verloren, die Opposition hofft aber nun nach Ende der Feiertage auf neuen Schwung.

(APA/AFP/dpa/Reuters)

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