Protest in Bangkok: "Wir machen unseren eigenen Putsch"

Regierungsgegner beim Siegesmonument in Bangkok.
Regierungsgegner beim Siegesmonument in Bangkok.(c) APA/EPA/NARONG SANGNAK
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Zehntausende Menschen wollen in Bangkok einen Regierungswechsel erzwingen. Sie legten das Zentrum der Haupstadt Thailands lahm.

Mit lautstarken Protestparolen haben Zehntausende Regierungsgegner die thailändische Hauptstadt Bangkok am Montag in weiten Teilen lahmgelegt. Sie besetzten sieben zentrale Verkehrsknotenpunkte und marschierten in Großformation über wichtige Verkehrsadern der Stadt, sodass es im Geschäftsviertel kein Durchkommen mehr gab. Befürchtete Zusammenstöße mit Anhängern der Regierung blieben zunächst großteils aus.

Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra versuchte die Demonstranten einmal mehr mit Zugeständnissen zu beruhigen und lud die Opposition zu Gesprächen über eine Verschiebung des Wahltermins von 2. Februar auf 4. Mai ein. Ein Schritt, den sie bisher trotz entsprechender Aufforderungen der Wahlkommission stets abgelehnt hatte.

Opposition will "Volksrat"

Doch Oppositionsführer Suthep Thaugsaban blieb kompromisslos. "Keine Gespräche!", schwor er vor Zehntausenden Anhängern. Die Wahlen würde er aufgrund der breiten Unterstützung für Yingluck durch die ländliche Bevölkerung voraussichtlich verlieren, ein Sturz des Shinawatra-Clans auf demokratische Weise scheint unwahrscheinlich. Daher fordert die Opposition nach dem Sturz der Regierung auch die Einsetzung eines Volksrates und keinen Urnengang.

"Wir machen unseren eigenen Putsch, einen Volksputsch", rief Suthep. "Wir brauchen das Militär nicht, wir rufen alle Beamten auf, auch Soldaten und Polizisten, uns zu unterstützen." Er beschwor, so lange in Bangkok zu bleiben, bis die Forderungen erfüllt sind. "Das kann Wochen dauern oder Monate", sagte er. Die Opposition wirft der Regierung Korruption und Plünderung der Staatsfinanzen vor.

Die Protestbewegung sprach am Nachmittag von mindestens 180.000 Teilnehmern, die Einsatzzentrale der Regierung (Capo) von 60.000. Allerdings schwoll die Zahl der Teilnehmer am Abend an. Viele Menschen zogen nach Büroschluss zu den Kundgebungen. An den Kundgebungsstandorten herrschte großteils friedliche Volksfeststimmung. Lediglich auf die Zentrale der oppositionellen Demokratischen Partei wurden in der Früh mehrere Schüsse abgegeben, teilte die Polizei mit. Zudem sei ein Ordner der Demonstranten bei einem Streit angeschossen worden.

Öffentliche Verkehrsmittel überfüllt

Obwohl die Menschen teils auf achtspurigen Kreuzungen saßen, blieb das Verkehrschaos aus, weil der Großteil der mehr als sechs Millionen Autobesitzer die Fahrzeuge zu Hause ließ. Der öffentliche Nahverkehr auf Schienen war völlig überfüllt. Viele Firmen in der Innenstadt hatten Angestellten freigegeben oder sorgten dafür, dass sie von zu Hause aus arbeiten konnten.

Die Regierung bekräftigte, sie werde nicht gewaltsam gegen die Proteste vorgehen. Demonstranten sollte teilweise sogar Zugang zu Regierungsgebäuden gewährt werden, um dort zu protestieren. Dennoch waren rund 8000 Soldaten und 10.000 Polizisten in der Metropole im Einsatz.

Lage könnte sich Ende der Woche zuspitzen

Trotz wachsender Spekulationen über einen möglicherweise kurz bevorstehenden Putschversuch, betont das Militär weiterhin nicht "unnötigerweise" eingreifen zu wollen. Er rechne damit, dass sich die Lage gegen Ende der Woche zuspitzen werde, erklärte der Politikwissenschafter Marc Saxer von der Friedrich Ebert-Stiftung in Bangkok im Ö1-Mittagsjournal. Dann könnte es auch zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Taxi- und Vanfahrern kommen. "Für diesen Fall hat das Militär einen Putsch angekündigt," sagte er. Für wahrscheinlich halte er einen erneuten Putschversuch jedoch nicht.

Die Anhänger der Regierungschefin hielten ihre Unterstützungskundgebungen in den vergangenen Tagen vor allem in Provinzstädten ab, um eine Konfrontation in Bangkok zu vermeiden. "Wir versuchen, Konfrontationen mit den Demonstranten in Bangkok zu verhindern", sagte Thida Thavornseth eine Anführerin der Pro-Regierungsproteste.

Schwierige Situation für Touristen

Für Touristen in der thailändischen Hauptstadt ist die Situation derzeit schwer einzuschätzen. Während die thailändische Tourismus-Behörde davon spricht, dass das Leben in Bangkok "ganz normal" weiter gehe, warnt das österreichische Außeministerium vor einem "hohen Sicherheitsrisiko" in der Hauptstadt. Das Außenministerium in Wien riet vor nicht unbedingt notwendigen Reisen nach Bangkok ab.

Besucher könnten sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln - der Hochbahn und der U-Bahn - fortbewegen, erklärte die Tourismus-Behörde. Auch der Betrieb der Flughafenbahn lief normal. Touristenattraktionen wie der Königspalast und der liegende Buddha waren trotz Demonstrationen wie üblich geöffnet, hieß es. Auch die Einkaufszentren entlang der Sukhumvit Road waren geöffnet. Sie wollten am Abend allerdings statt um 22 Uhr um 20 Uhr schließen. In unmittelbarer Nähe hielten tausende Demonstranten drei riesige Kreuzungen besetzt.

Bangkok war nach einer Erhebung von Mastercard im vergangenen Jahr mit 15,98 Millionen Touristen die meistbesuchte Stadt der Welt. Sie verwies London, Paris, Singapur und New York auf die Plätze. Für die meisten der 26 Millionen Touristen, die Thailand im Jahr besuchen, ist Bangkok allerdings nur Durchreisestation zu den Inseln an den Küsten im Süden oder ins Hochland im Norden. Im Süden gab es in den letzten Wochen nur vereinzelte Proteste, im Norden blieb es ruhig.

(APA/AFP)

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