Frankreich: Liebe zur Amour fou, Sinn fürs Frivole

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Präsident François Hollande knüpft bei seiner Liebesaffäre zur Schauspielerin Julie Gayet an eine große Tradition an. Sonnenkönig Ludwig XIV., François Mitterrand, Jacques Chirac und Nicolas Sarkozy haben es vorexerziert.

Krise hin, Krise her: Zu Mittag kommt in Pariser Brasserien gewohnheitsmäßig eine Flasche Wein auf den Tisch – und zum Abendmahl zu Hause sowieso. Da mag die Nation angesichts der ökonomischen Malaise noch so sehr in eine vom Feuilleton beschworene „kollektive Depression“ verfallen: An habituellen Sitten halten die Franzosen fest, solange es eben geht. „Comme il faut“ – so macht man das nun einmal.

Laut einer Umfrage des Sonntagsblatts „Journal de Dimanche“ lässt 84 Prozent der Franzosen die jüngste Liebesaffäre ihres Präsidenten unberührt. Sie erregte vorerst wenig Aufsehen. Marine Le Pen, Führerin der Front National, findet nichts daran, solange nicht Staatsgelder verschwendet werden. „Wir sind nicht wie die Vereinigten Staaten“, merkte Innenminister Manuel Valls spitz an – und meinte damit nicht nur die exorbitanten Sicherheitsmaßnahmen, die für US-Präsidenten Usance sind. Die Prüderie – und die Doppelmoral – der US-Amerikaner stießen die Franzosen schon im Mai 2011 ab, als die New Yorker Polizei Dominique Strauss-Kahn (DSK), den Chef des Währungsfonds, wie einen Schwerverbrecher abführte.

Die Folgen der Affäre Strauss-Kahn

Die Affäre Strauss-Kahn, dessen mutmaßliche Vergewaltigung des aus Guinea stammenden Zimmermädchens Nafissatou Diallo am 14. Mai 2011 sowie die Invasion Dutzender Pariser Reporter in New York im Zuge des monatelangen Hausarrests von DSK veränderten Frankreich freilich gleich in zweifacher Hinsicht: Zum einen fielen jetzt auch in Paris endgültig die Schranken vor der Privatsphäre von Prominenten, zusätzlich befördert vom Erfolg von Klatschmagazinen wie „Closer“ und „Voici“ und von Internetportalen wie dem Frankreich-Ableger der „Huffington Post“. Apropos: Ausgerechnet Anne Sinclair führt nun die „Huff-Po“, die inzwischen von DSK getrennt lebende zweite Frau, eine ehemalige populäre TV-Journalistin.

Zum anderen kam nach dem Ende der Präsidentschaftsambitionen Strauss-Kahns, des Favoriten der Sozialisten, die Nummer zwei zum Zug: der blasse, pummelige, leicht tollpatschige Technokrat François Hollande. Vor fünf Jahren hatte er als Parteichef seiner Lebensgefährtin Ségolène Royal, der Mutter seiner vier Kinder, den Vorzug überlassen müssen. Damals lebte er bereits mit Valérie Trieweiler zusammen, einer Reporterin der bunten Illustrierten „Paris Match“. Tout le monde wusste davon – zumindest die eingeweihten Kreise in Paris. Es gehörte damals zum Comment, nicht darüber zu schreiben.

Nach seiner Wahl schwor Hollande offiziell dem „Bling-Bling“-Gehabe seines Vorgängers Nicolas Sarkozy ab – dem öffentlichen Poussieren mit seiner neuen Herzdame, Chansonnière und Exmodel Carla Bruni; den Trips nach Disneyland und den Vor-Flitterwochen zu den Pyramiden nach Luxor. Coram publico hatte Sarkozy seine Scheidung von Cécilia Sarkozy, seiner zweiten Frau, durchlitten: die Trennung, nachdem sie mit ihrem Liebhaber nach New York durchbrannte; die überraschende Versöhnung vor der Wahl und schließlich das endgültige Ende – das hatte auch etwas von einer PR-Show, einer Inszenierung. Nach fünf Jahren hatten die Franzosen genug davon.

Da ahnten sie noch nicht, dass sie mit Hollande vom Regen in die Traufe kamen – nicht nur politisch: vom hyperaktiven Sarkozy zum phlegmatischen Hollande. Nicht nur stichelte Valérie Trieweiler gegen Royal, die einstige Rivalin: Per Twitter empfahl sie bei der Parlamentswahl Royals Gegenkandidaten, und Hollande strafte seine Lebensgefährtin mit tagelangem eisigem Schweigen. Es war keineswegs das erste Mal, dass im ?lysée-Palast der Haussegen schief hing.

„Monsieur fünf Minuten“

„Wo steckt Monsieur le President?“, fragte die Polizei in der Unfallsnacht des 31. August 1997, als Lady Di im Tunnel des Pont D'Alma zu Tode kam, die Première Dame. Bernadette Chirac erwiderte schnippisch: „Woher soll denn ich das wissen? Jacques Chirac war laut Insiderkreisen dafür bekannt, mehr oder weniger diskrete Touren durchs nächtliche Paris zu unternehmen.
„Monsieur fünf Minuten, inklusive Dusche“, lautete sein Spitzname unter gewissen Damen der Gesellschaft.
Am buntesten trieb es jedoch dessen Vorgänger, François Mitterrand. Er schlich sich abends heimlich zu seiner Zweitfamilie, zur Geliebten Anne Pingeot und ihrer gemeinsamen Tochter, Mazarine – benannt nach dem legendären Kardinal Mazarin, der grauen Eminenz am Hof. Die Pariser Medien hielten sich ans Schweigegebot – bis „Paris Match“ 1994 das streng gehütete Geheimnis lüftete.

Ersatzmonarch Mitterrand knüpfte an die Tradition der Mätressen an, die sich Frankreichs Monarchen bei Hofe hielten. Unter ihnen waren Madame de Maintenon und Madame de Pompadour die berühmtesten. In der Moderne waren es oft Reporterinnen, die allzu sehr die Nähe zur Macht suchten – verbürgt ist eine „Figaro“-Journalistin als zwischenzeitliche Sarkozy-Geliebte.

Jetzt füllt die Schauspielerin Julie Gayet die Rolle aus. Frankreich hat einen Sinn fürs Frivole, hegt eine Liebe zur Amour fou. Neulich spielte sie im Film „Quai d'Orsay“, wo sie im Dunstkreis der Pariser Macht agiert. Als sie darüber sprach, geriet sie ins Stammeln. Valérie Trieweiler musste sich jetzt in Spitalsbehandlung begeben, und François Hollande stellt sich heute den Fragen der Reporter. Die pikante Dreiecksbeziehung ist aber noch nicht zu Ende. In vier Wochen sind der Präsident und Madame Trieweiler zum Staatsbankett in Washington geladen – gemeinsam.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2014)

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