Verfassungswidrig: Gericht nicht unabhängig genug

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Verfassungsgerichtshof hebt Bestimmungen über die Geschäftsverteilung am neuen Wiener Landesverwaltungsgericht auf.

Wien. Die Unabhängigkeit des neuen Wiener Landesverwaltungsgerichts ist nicht ausreichend gewährleistet. Das geht aus einer am Montag veröffentlichten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs hervor. Der VfGH hebt damit Regelungen über die Geschäftsverteilung am neuen Gericht auf und gibt den Anträgen der Wiener Oppositionsparteien FPÖ und ÖVP teilweise statt. Die Aufhebung tritt mit Ende dieses Jahres in Kraft.

Die Unabhängigkeit ist ein Wesensmerkmal jedes Gerichts, doch bei dem zu Jahresbeginn errichteten Wiener Gericht ist sie unterentwickelt. So ist die „feste Geschäftsverteilung“ nicht garantiert, derzufolge für jeden zu entscheidenden Fall von vornherein klar sein muss, wer dafür zuständig ist. Die Wiener Regelung von Rot-Grün sieht jedoch anderes vor: Kann der – aus dem Präsidenten, der Vizepräsidentin und zwei von der Vollversammlung gewählten Mitgliedern bestehende – Geschäftsverteilungsausschuss sich nicht einigen, kann der Präsident eine provisorische Geschäftsverteilung erlassen, auch mehrmals nacheinander. So kann nicht bloß eine einmalige Ausnahmesituation überbrückt werden, sondern der Präsident kann wiederholt provisorische Regelungen treffen.

Die Zusammensetzung des Ausschusses widerspricht übrigens ebenfalls der Verfassung: Laut VfGH müssten die gewählten Mitglieder darin die Mehrheit gegenüber den Mitgliedern kraft Amtes (Präsident und Vizepräsidentin) stellen. Nur so sei gesichert, dass nicht ein monokratisches Organ, sondern die Vollversammlung als Kollegium über die Geschäftsverteilung entscheide.

Stimmen die gewählten Mitglieder gegen eine vorgeschlagene Regelung und verhindern sie so eine Beschlussfassung, verlieren sie ihre Mitgliedschaft im Ausschuss. Auch das widerspricht der verfassungsrechtlich geforderten Unabhängigkeit: „Eine solche Regelung, die das Ausscheiden eines Richters aus einem richterlichen Kollegialorgan von seinem Stimmverhalten abhängig macht, ist mit der in Ausübung des richterlichen Amtes gebotenen richterlichen Unabhängigkeit unvereinbar“, so der VfGH (G 46/2013).

Opposition: „Blamage für Rot-Grün“

Die Opposition jubelt: FP-Landtagsabgeordneter Dietbert Kowarik spricht von einer Blamage für Rot-Grün, sein VP-Kollege Wolfgang Ulm ortet ein „Nein zur Magistratsjustiz“. Gegen den von der Opposition ebenfalls kritisierten großzügigen Einsatz von Rechtspflegern, die gegenüber Mitgliedern des Gerichts weisungsgebunden sind, hat der VfGH aber nichts einzuwenden. Denn einerseits hat es die Opposition verabsäumt auszuführen, warum sich bestimmte Materien nicht für die Übertragung an Rechtspfleger eigneten. Außerdem kann gegen deren Entscheidungen „Vorstellung“ beim nicht weisungsgebundenen Richter erhoben werden. (kom)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2014)

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