Italiens Marken gehen ins Ausland

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Die Industrie vermisst Regierungsmaßnahmen zur Konjunkturbelebung in Italien. Ausländische Investoren nutzen derweil die Gunst der Stunde.

Rom. Italiens Industrielle klagen, dass nach zwei Jahren tiefer Rezession die Signale des Wirtschaftswachstums im Land noch zu schwach sind. Der Chef des Industrieverbandes, Giorgio Squinzi, ist auch über die Maßnahmen der Regierung zur Ankurbelung des Wirtschaftswachstums enttäuscht. Das Kabinett habe viele Vorschläge der Industriellen ignoriert.

Hintergrund sind Meldungen aus Italiens Notenbank vom Freitag. Sie hat vor übertriebenen Erwartungen im Zusammenhang mit dem Wirtschaftswachstum gewarnt. Die Banca d'Italia rechnet mit einer Zunahme des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von lediglich 0,7 Prozent im heurigen Jahr. Im kommenden Jahr soll es ein Prozent sein.

Seit Jahren steckt die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone in einer Rezession, der bisher schwersten der Nachkriegsgeschichte. Die Arbeitslosenrate steigt (sie wird sich heuer auf 12,8Prozent erhöhen), die Industrieproduktion sank über Monate, und die Wettbewerbsfähigkeit der italienischen Firmen ließ nach. Tausende kleinere Familienunternehmen müssen jeden Monat schließen, auch viele Großkonzerne halten sich nur mit Mühe und Not über Wasser.

Verletzter Nationalstolz

Zu all dem Ungemach kommt noch ein quasi emotionales Problem: Der sukzessive Ausverkauf der italienischen Industrie kratzt schwer am nationalen Selbstbewusstsein.

Buitoni, Ducati oder Valentino– mit Marken wie diesen verbindet man echte italienische Pasta, Motorräder und Mode. Doch tatsächlich sind die Unternehmen längst nicht mehr in italienischer Hand, sondern wurden von ausländischen Investoren übernommen. Der Nudelproduzent Buitoni gehört dem Schweizer Nestlé-Konzern; die Motorradmarke Ducati ist längst in der Volkswagen-Gruppe daheim; das Modelabel Valentino ist im Besitz von Investoren aus Katar.

Aber das sind nur einige Beispiele: Die angeschlagene Fluglinie Alitalia hofft auf frisches Geld aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, die spanische Telefónica stockt ihre Anteile an der Telecom Italia auf, und auch um die Zukunft des Rüstungskonzerns Finmeccanica wird gerungen. Selbst vor dem Fußball macht die Entwicklung nicht halt: Ein indonesischer Investor sicherte sich die Mehrheit der Anteile am Spitzenklub Inter Mailand.

Vor allem die Tradition und die bekannten Marken locken Geldgeber aus der Ferne an. „Weil es sehr kompliziert ist, schnell eine Marke aufzubauen, und noch schwieriger, über einen langen Zeitraum die Qualität zu halten, kaufen viele ausländische Unternehmen Firmen in Italien“, sagt Guiseppe Recchi vom Gremium für ausländische Investoren des Verbands Confindustria. Und: „Das vergangene Jahr war ein Jahr der besonderen Aktivitäten im Hinblick auf Käufe von Ausländern in Italien.“

Gewerkschaften protestieren

Vielen Italienern macht die Entwicklung Angst. Die Gewerkschaften schlagen Alarm und befürchten einen Ausverkauf der Industrie. Die Unternehmen seien „unvermeidlich gezwungen, zu einem niedrigeren Preis als dem realen zu verkaufen“. Häufig würden die Firmen nach der Übernahme ihren Sitz ins Ausland verlagern, mit schlimmen Folgen. „Verlust von Arbeitsplätzen und qualifiziertem Personal, eine Abkehr von den Qualitätsstandards der Produkte“, so die Gewerkschaften.

Laut einer neuen Studie wurden in den vergangenen vier Jahren mehr als 430 italienische Unternehmen von ausländischen Investoren geschluckt. Etwa 55 Mrd. Euro mussten die Käufer dafür hinblättern.

Die Unternehmen und die Regierung sehen die Entwicklung hingegen positiv. „Die Investoren bringen nicht nur Kapital, sondern auch Know-how, Technologie und internationale Kultur“, sagt Recchi. „Es ist definitiv eine Chance.“ Eine Sprecherin des Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung erklärte: „Italien sieht den Zufluss von Kapital positiv für die Entwicklung der eigenen Industrie.“ (ag./red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2014)

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