Die Nachsilbe „-gate“: Vom Skandal zum Skandälchen

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Seit 2010 küren Sprachwissenschaftler den „Anglizismus des Jahres“, heuer fiel die Wahl auf „-gate“. Wirkt etwas antiquiert, hat es aber in sich.

Die Konkurrenz war hart: Unter den letzten fünf Kandidaten für den Anglizismus des Jahres 2013 fand sich etwa der Whistleblower, noch aktuell und auch vom Publikum favorisiert; das Selfie, das immerhin in Großbritannien zur Wortneuschöpfung des Jahres 2013 gekürt wurde. Der Hashtag bot sich an, weil er den Sprung aus den sozialen Medien hinaus geschafft hat und in die Jugendsprache eingeflossen ist. Und Fake- wäre wohl auch ein Statement gewesen. Die Wahl der Jury fiel aber auf -gate. Nicht einmal ein vollständiges Wort, nur eine Silbe, und vor allem nicht gerade neu: Der Watergate-Skandal erschütterte vor vierzig Jahren die USA. Benannt wurde er nach einem Gebäudekomplex in Washington direkt am Fluss (Watergate heißt im Englischen Schleusentor), in dem fünf Einbrecher dabei erwischt wurden, wie sie das Hauptquartier der Demokraten verwanzen wollten.

Im Englischen wurde -gate rasch zu einem Synonym für Skandal, im Deutschen dauerte es länger. Die Initiative „Anglizismus des Jahres“ datiert die erste Verwendung im deutschsprachigen Raum auf 1987. Damals schrieb der „Spiegel“ von „Waterkantgate“ – und meinte damit die Barschel-Affäre. Immerhin, auch damals ging es um ein handfestes Politikum, um Spionage, um Wanzen und einen Ministerpräsidenten, der alle Vorwürfe abstritt: Am Ende fand man Uwe Barschel tot in der Badewanne eines Schweizer Hotels.

Seither hat sich die Bedeutung von -gate verändert. Immer häufiger bezeichnet es weniger Skandale als kurze Aufreger: Im amerikanischen Sprachraum gab es ein Nipple Gate, als Janet Jackson beim Super Bowl 2004 den Busen blitzen ließ, Deutschland hatte das Dirndl-Gate des damaligen FDP-Fraktionschefs Brüderle. In Österreich fand man – hier war der Anlass ernster als die Formulierung – für die Affäre rund um Minister Berlakovich und die Bienen das niedliche „Sumsi-Gate“.

Warum wird nun -gate ausgerechnet jetzt zum Anglizismus des Jahres? Weil 2013 eine Häufung von Gates festzustellen war. Und vielleicht auch, weil manche davon erstaunlich an Urahn Watergate erinnern: Mutti-Gate kam auf, weil Merkel die SPD angeblich habe ausspionieren lassen, Handy-Gate meint die Überwachung von Merkels Mobiltelefon durch die USA. „Dass Nixon damals hat zurücktreten müssen“, so die Jury, „können wir uns angesichts der politischen Konsequenzlosigkeit des aktuellen Dauerabhörskandals kaum noch vorstellen.“

E-Mails: bettina.steiner@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2014)

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