Studie

Bodenverbrauch: Wifo für Beschränkung der jährlichen Neubaufläche

Einkaufszentren mit langen Zufahrten und riesigen Parkplätzen sind hinsichtlich des Bodenverbrauchs besonders problematisch.
Einkaufszentren mit langen Zufahrten und riesigen Parkplätzen sind hinsichtlich des Bodenverbrauchs besonders problematisch.Dkart
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Die Versiegelung von Böden sei nicht nur für die Umwelt, sondern auch für die Volkswirtschaft ein Problem. Ökonomen plädieren für eine Flächenbörse.

Wien. Über 72.000 Hektar Agrarfläche sind von 1999 bis 2020 in Österreich verbaut worden. Das führt dazu, dass heute um rund fünf Prozent weniger Lebensmittel ange­baut werden können, während gleichzeitig die Bevölkerung um elf Prozent gewachsen ist, so das Wifo. „Ungezügelter Bodenverbrauch ist also ein Problem, das für uns als Volkswirtschaft Kosten verursacht“, sagte Wifo-Chef Gabriel Felbermayr am Montag anlässlich der Präsentation einer Studie, die das Institut im Auftrag der Hagelversicherung erstellt hat. Die Ökonomen haben untersucht, welche steuerlichen Voraussetzungen den Bodenverbrauch begünstigen. Und mit welchen Maßnahmen dies verändert werden könnte.

Boden sei der einzige Produktionsfaktor, der nicht vermehrbar sei, so Felbermayr weiter. Und versiegelter Boden lasse sich auch nur mehr schwer in fruchtbares Ackerland zurückbauen. Denn oft ist schon der Umbau von bestehender Infrastruktur in eine andere Nutzung nur mit großem Aufwand und diversen Nachteilen machbar. Hinzu kommt, dass die Bodenversiegelung auch für die Umwelt ein Problem ist. So verstärken Beton- oder Asphaltflächen einerseits die Hitzestauung und können andererseits bei Starkregen das Überflutungsrisiko erhöhen. Und auch die Speicherfunktion für CO2 verliert der Boden, sobald etwa darauf gebaut ist.

Das Thema ist in der Politik zwar bereits angekommen. So hat die Bundesregierung in ihrem Programm auch das Ziel formuliert, den Verbrauch von derzeit elf Hektar pro Tag bis 2030 auf 2,5 Hektar zu senken. Aber es würden entsprechende Maßnahmen und Sanktionen fehlen, sagt Kurt Weinberger, Chef der Österreichischen Hagelversicherung.

Deutscher Pilotversuch

Doch was könnte nun gemacht werden, um dafür zu sorgen, dass anstatt des Neubaus auf der grünen Wiese öfter die Revitalisierung oder Verdichtung von bestehenden Gebäuden angedacht wird? Die „eine“ Maßnahme, die das Problem lösen könnte, gebe es nicht, sagt dazu Wifo-Steuerexpertin Margit Schratzenstaller. Dennoch hat das Wifo eine Liste von Vorschlägen erstellt, die hier Abhilfe schaffen könnten. Und besonders auffällig ist dabei die Idee der Einführung von Flächenzertifikaten, die benötigt werden, bevor gebaut werden darf.

Der Gedanke dahinter stamme gar nicht vom Wifo selbst, sondern aus einem deutschen Pilotversuch von vor einigen Jahren, an dem 90 Gemeinden teilgenommen haben, so Schratzenstaller. Konkret wäre der Ablauf dabei folgendermaßen: Analog zu den EU-CO2-Zertifikaten wird die jährlich verbaubare Fläche künstlich auf einen Zielwert reduziert – etwa die 2,5 Hektar pro Tag aus dem politischen Ziel. Diese 912,5 Hektar pro Jahr werden nun in Form von Zertifikaten auf alle Gemeinden Österreichs aufgeteilt. Am einfachsten wäre eine Verteilung pro Einwohner, es könnten aber auch Kriterien wie bestehende Zersiedelung dabei herangezogen werden.

Will eine Gemeinde nun Grün- in Bauland umwidmen, muss sie die Fläche mit ausreichend Zertifikaten unterlegen. Hat sie nicht genügend Zertifikate selbst verfügbar, dann müssten diese über eine Art Flächenbörse von jenen Gemeinden beschafft werden, wo es weniger Bauvorhaben als zugeteilte Zertifikate gibt. Laut Felbermayr würde dies zu einem Finanzstrom von wachsenden und prosperierenden Gemeinden hin zu jenen führen, die mit Abwanderung kämpfen. Letztere könnten das Geld in der Folge nutzen, um leerstehende Infrastruktur attraktiver zu machen.

Teures Haus im Grünen

Allerdings würde ein solches System auch dazu führen, dass private Häuslbauer in direkte finanzielle Konkurrenz zu gewerblichen Errichtern um die Flächenzertifikate treten würden. Der Traum von Haus im Grünen dürfte für viele somit wohl noch unerschwinglicher werden.

Dass dieses System Bauen teurer machen würde, verhehlt man auch beim Wifo nicht. Allerdings könnten auch hier die zusätzlichen Einnahmen für die Gemeinden genutzt werden, um etwa das Wohnungsproblem von Jungfamilien zu lösen. Das dann vielleicht jedoch mit anderen Methoden als dem Einfamilienhaus.

Abseits dieser Flächenbörse enthalten die Vorschläge der Ökonomen auch die Einführung einer österreichweiten Leerstandsabgabe oder die regionale Verteilung der Kommunalsteuer. Letzteres würde verhindern, dass sich Gemeinden gegenseitig mit Einkaufszentren Konkurrenz machen würden.

Wie komplex die ganze Thematik ist, zeige das Beispiel von Betriebsgebäuden bei der Aufgabe einer Firma. Diese stehen oft lang leer – auch aufgrund der Kosten für eine vielleicht nicht optimale Immobilie. Allerdings kam es vor einiger Zeit hier zu einer steuerrechtlichen Anpassung. Demnach dürfen leerstehende Gebäude bei Betriebsaufgabe bei der Überführung ins Privatvermögen nun mit dem meist niedrigeren Buchwert statt dem Teilwert bewertet werden. Seither sei es nun viel leichter, dass diese Gebäude gekauft und weitervermietet werden, so das Wifo.

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