EU-Kommission will Genmais durchboxen

Wenn sich die Mitgliedsstaaten nicht einigen, will die Kommission ihre Pläne für Genmais umsetzen, sagt Gesundheitskommissar Tonio Borg.
Wenn sich die Mitgliedsstaaten nicht einigen, will die Kommission ihre Pläne für Genmais umsetzen, sagt Gesundheitskommissar Tonio Borg.(c) APA/EPA/OLIVIER HOSLET
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Obwohl eine breite Mehrheit der Staaten gegen eine Genmais-Zulassung ist, kämpft die EU-Kommission weiter. Außenminister Kurz warnt vor einem Alleingang.

Trotz einer breiten Ablehnung in der EU gegen den Genmais "Pioneer 1507" will die EU-Kommission das Produkt zulassen. Die EU-Staaten konnten sich am Dienstag nicht auf eine notwendige qualifizierte Mehrheit in dieser Frage einigen. Der zuständige EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg sagte, die EU-Kommission müsse das Produkt binnen 24 Stunden zulassen, wenn der Rat nicht abstimmt.

Formal fand keine Abstimmung statt. Mehre Minister appellierten angesichts des "sensiblen Themas" kurz vor den Europawahlen an die EU-Kommission, die Entscheidung aufzuschieben oder ihren Vorschlag zurückzuziehen. Für eine Zulassung sprachen sich nur Schweden, Finnland, Großbritannien, Estland und Spanien aus, Deutschland, Portugal, Belgien und Tschechien enthielten sich. Hätte Deutschland dagegen gestimmt, wäre die Zulassung gestoppt worden.

Borg warnte, man könne sich nicht "á la carte" die Gutachten der für die Risikobewertung zuständigen EU-Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA aussuchen. Die EFSA habe sechs positive Gutachten für den Genmais abgegeben. Die Kommission gehe nach den entsprechenden Verfahren vor und wolle keine politische Entscheidung in diesem Fall treffen. Ein Ja der EU-Kommission würde nicht alle EU-Staaten binden, den Genmais anzubauen. Der Vorschlag liege schon seit 2001 auf dem Tisch, sagte Borg. "Niemand kann sagen, dass wir das vorangetrieben haben. Wir haben sehr vorsichtig agiert."

Österreichs Minister geschlossen dagegen

"Sollte die EU-Kommission den Problem-Mais trotzdem zulassen, werden wir auf nationaler Ebene handeln und ein Anbauverbot für diesen gen-manipulierten Mais verhängen", bekräftigte Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) in einer Stellungnahme die österreichische Position. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) wertet die Aussprache der Außenminister als "klares politisches Signal" an die EU-Kommission. "Wir erwarten, dass nicht gegen eine Mehrheit der Bürger eine Entscheidung getroffen wird." Kurz freute sich, dass drei EU-Staaten zuletzt noch in das Lager der Gegner wechselten. Die Risikobewertung sei "unvollständig" und habe "große Lücken", sagte Kurz.

Stöger und Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) hätten angekündigt, dass das Produkt in Österreich nicht zum Einsatz komme, versicherte auch Kurz. Rupprechter betonte in einer Aussendung: "Österreich setzt sich auf EU-Ebene für ein Selbstbestimmungsrecht der Mitgliedstaaten für einen gentechnikfreien Anbau ein. 22 Staaten unterstützen diesen Vorschlag bereits und wir werden weiter dafür kämpfen."

Mehre EU-Minister appellierten angesichts des "sensiblen Themas" kurz vor den Europawahlen an die EU-Kommission, die Entscheidung aufzuschieben oder ihren Vorschlag zurückzuziehen. Polen warnte vor einem "Rückschlag für die europäische Idee", wenn der Genmais zugelassen werde.

Der umstrittene Genmais 1507

Der Genmais 1507 ist resistent gegen bestimmte Pflanzenschutzmittel und produziert ein eigenes Insektengift. Als bedeutendster Maisschädling gilt der Maiszünsler. Das notwendige Gen der vom US-Hersteller Dupont Pioneer entwickelten Pflanze stammt von Bakterien.

Umweltschützer kritisieren, dass das in großen Mengen produzierte Gift vor allem Schmetterlinge gefährde. Zudem sei unklar, in welchem Umfang das Gift über den Genmais ins Erdreich gelangen könne. Demnach ist der Mais auch gegen das "hochgradig toxische" Unkrautvernichtungsmittel Glufosinat resistent.

Als eine der Förderinnen von Genmais gilt die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der "Spiegel" berichtet, dass sich Deutschland vor allem auf Merkels Wunsch hin bei der Abstimmung enthalten hat. Damit ist der Weg für die Maissorte 1507 so gut wie frei. Die SPD lehnt die Zulassung von Genmais allerdings genaus so ab, wie die bayerische CSU.

Parlament kritisiert Zulassungsverfahren

Gegen die Zulassung des Genmais hat das EU-Parlament gestimmt. "Wieder einmal konnten sich Großlobbyisten durchsetzen", beklagte der EU-Abgeordnete Hans-Peter Martin. "Ob Genmais angebaut wird, müssen die Mitgliedstaaten selbst entscheiden dürfen. Die bestehenden Rechtsunsicherheiten müssen endlich behoben werden", forderte der ÖVP-EU-Parlamentarier Richard Seeber. Die drohende Zulassung des Genmais sei "ein Skandal und ein Schlag ins Gesicht der europäischen Konsumenten", kritisierte die grüne Europaabgeordnete Ulrike Lunacek. Die EU-Kommission würde dann ihre Kompetenz überschreiten, sagte die SPÖ-EU-Abgeordnete Karin Kadenbach.

Das aktuelle Zulassungsverfahren ermögliche es der EU-Kommission, gentechnisch veränderte Pflanzen auch gegen die Position einer Mehrheit an Mitgliedsstaaten durchzusetzen und verschiedene negative Auswirkungen nur unzureichend zu berücksichtigen. "Daher muss sich die österreichische Bundesregierung in Brüssel jetzt für eine Verbesserung des Zulassungsverfahrens für Gentechnik-Pflanzen einsetzen", fordert Dagmar Urban, Landwirtschaftsexpertin von Greenpeace in einer Aussendung.

Global 2000: Staaten könnten Kommission klagen

Die EU-Kommission müsse beim Thema Genmais nun zeigen, auf welcher Seite sie steht, reagierte am Dienstag Global 2000. Gentechniksprecherin Heidemarie Porstner sagte: "Die Mehrheit der europäischen Bevölkerung ist gegen gentechnisch veränderte Organismen. Es kann nicht sein, dass einmal mehr die Interessen der Agro-Chemie-Konzerne im Vordergrund stehen."

Die EU-Mitgliedsstaaten hätten jedoch auf andere Weise die Möglichkeit, den Anbau dieser Hochrisikopflanze zu unterbinden, meint Porstner. Wie auch schon bei der GV-Kartoffel Amflora könnten sie die EU-Kommission klagen. Denn im Verfahren für die Anbauzulassung seien einige Fehler begangen worden. Bei Amflora wurde der Klage im Dezember 2013 stattgegeben. Geklagt hatte damals Ungarn, mit Unterstützung von Österreich und einigen anderen Mitgliedsstaaten.

Auch Greenpeace forderte die Kommission auf, die "historische Ablehnung" gegen den Genmais nicht zu ignorieren.

(APA/dpa/Red.)

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