Wichtige Bitcoin-Börse kollabiert

File photo shows advertisement  for bitcoin ATM machine in Vancouver
File photo shows advertisement for bitcoin ATM machine in Vancouver(c) REUTERS (ANDY CLARK)
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Mit MtGox ist eine große Bitcoin-Börse verschwunden. Wie viele Kundengelder in Gefahr sind, ist unklar. Die Branche ist in Aufruhr, der Bitcoin-Kurs setzt seine Talfahrt fort.

Wien/Tokio. Große Turbulenzen auf dem Markt für die virtuelle Währung Bitcoin: Am Dienstag ist der einstmals größte Bitcoin-Markt MtGox nach wochenlangen technischen Querelen endgültig aus dem Internet verschwunden. Auch der Twitter-Account von MtGox wurde gelöscht. Schon in den Wochen zuvor wurde der Zugriff der Kunden auf ihre Konten immer wieder suspendiert. Nach dem derzeitigen Stand sieht es so aus, als würden sie ihr Geld nie wieder sehen.

Laut Informationen der Nachrichtenagentur Reuters war das Büro der in Tokio ansässigen Firma am Dienstag verwaist. E-Mails und Anrufe werden offenbar nicht mehr beantwortet. Es ist unklar, wie viele Kunden wie viel Geld zum Zeitpunkt des Kollapses investiert hatten – aber auf dem Markt war MtGox schon seit einiger Zeit in Verdacht geraten, lax mit Sicherheitsaspekten umzugehen. Ein derzeit im Internet kursierendes Dokument, das angeblich die Krisenstrategie von MtGox beschreibt, wirft laut „New York Times“ eine noch drastischere Frage auf. Dem Dokument zufolge sollen bei MtGox schon vor mehr als einem Jahr insgesamt 744.000 Bitcoins gestohlen worden sein. Das wären rund sechs Prozent der bisher geschaffenen Bitcoins (rund zwölf Mio.). Das Bitcoin-System ist technisch darauf ausgelegt, in den kommenden Jahrzehnten die Geldmenge auf 21 Mio. Bitcoins anwachsen zu lassen – und die Geldvermehrung dort zu stoppen.

Nur ein „schwarzes Schaf“?

Der Bitcoin-Kurs ist infolge des MtGox-Skandals erstmals seit November unter 500 Dollar pro Stück gesunken. Bitcoin sorgte zuvor weltweit für Aufregung, nachdem die Onlinewährung binnen weniger Wochen um mehrere hundert Prozent im Preis gestiegen war – und kurzfristig sogar den Wert einer Unze Gold erreicht hatte: bei rund 1200 Dollar. Seitdem geht der Bitcoin-Preis aber bergab beziehungsweise seitwärts. Am wichtigsten Bitcoin-Markt für deutschsprachige Kunden (bitcoin.de) stand der Kurs am Dienstag Nachmittag noch bei rund 400Euro.

MtGox hatte allerdings schon vor diesem Kollaps und den vorangegangenen technischen Problemen an Bedeutung eingebüßt. Vertreter der wichtigsten Bitcoin-Börsen reagierten am Dienstag rasch, um MtGox als „schwarzes Schaf“ der Branche zu brandmarken. In einer Aussendung der Bitcoin-Börsen Kraken, Blockchain, BTC China, Bitstamp, Coinbase und Circle heißt es: „Die tragische Verletzung des Vertrauens der Kunden von MtGox war das Ergebnis der abzulehnenden Handlungen einer Firma und reflektiert nicht die Belastbarkeit oder den Wert von Bitcoin oder der Bitcoin-Industrie.“

MtGox wird als unprofessionell bezeichnet, und einige Bitcoin-Experten weisen darauf hin, dass die derzeit wichtigsten Börsen wie die oben genannten sich höheren Standards verpflichtet haben – und dass das Bitcoin-System an sich nicht von den Turbulenzen betroffen ist. Dass der Preis reagiert, sei aber zu erwarten gewesen.

Andere Bitcoin-User wie der Blogger Ryan Galt, der seit Langem über Bitcoin schreibt, haben ihr Vertrauen verloren und lösen ihre Bitcoin-Bestände auf. Eine Option, die MtGox-Kunden nicht mehr haben. „Wir sind sehr verärgert“, sagte Kolin Burges, ein selbst erklärter Onlinewährungstrader, am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. Gemeinsam mit einigen Mitstreitern protestiert Burges vor dem verwaisten Büro der Bitcoin-Börse.

Kundengelder veruntreut?

Da Bitcoin dezentral organisiert ist, gibt es auch keine zuständige Aufsichtsbehörde. Die Währung ist zu schnell aufgestiegen, als dass die staatlichen Behörden rechtzeitig hätten reagieren können. Im Prinzip funktionieren die Bitcoin-Marktplätze aber ähnlich wie herkömmliche Brokerhäuser. Auch diese funktionieren nur, wenn die Kunden ihnen vertrauen können.

Ob im Fall von MtGox Bitcoins gestohlen oder gar Kundengelder veruntreut wurden, ist unklar. Aber die Bitcoin-Industrie distanziert sich in ihrer Aussendung klar von jeglicher Verwendung von Kundengeldern für firmeneigene Geschäfte oder Spekulationen. Es dürfte ein schlecht versteckter Hinweis auf einen Verdacht sein, dass MtGox über schief gegangene Geschäfte mit veruntreuten Kundengeldern gestolpert sein könnte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2014)

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