Merkels kalte Dusche für Cameron

(c) APA/EPA/FACUNDO ARRIZABALAGA (FACUNDO ARRIZABALAGA)
  • Drucken

Die deutsche Kanzlerin hat Wünsche des britischen Premiers nach einer grundlegenden EU-Reform zurückgewiesen. Sie werde die Briten nicht um jeden Preis in der EU halten.

London. Das Liebeswerben des britischen Premierministers, David Cameron, hat nicht gefruchtet: In ihrer historischen Rede vor beiden Häusern des Parlaments in London erteilte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel gestern, Donnerstag, den Wünschen nach einer umfassenden Veränderung der EU eine klare Absage. „Manche erwarten, dass ich den Weg bereite für eine Grundsatzreform der EU. Sie werden enttäuscht sein“, sagte sie gleich zu Beginn ihrer Ansprache. Ebenso warnte sie: „Andere denken, Deutschland wird jeden Preis zahlen, um Großbritannien in der EU zu halten. Diese Erwartungen sind ebenfalls nicht richtig.“

Eine klarere öffentliche Absage für seine Forderung nach einer fundamentalen Veränderung des Kräfteverhältnisses zwischen Brüssel und den EU-Staaten hat der britische Premierminister bisher nicht erhalten. Sie schmerzte umso mehr, als man in London Merkel bisher als wichtigste Verbündete betrachtet hatte. Im Vorfeld des Besuchs der Kanzlerin stiegen die Erwartungen in solche Dimensionen („Königsbiene“, nannte der „Telegraph“ Merkel anerkennend), dass Berlin sich zu der Erklärung genötigt sah: „Von uns wurden diese Hoffnungen nicht geschürt.“

Nachdem sie Klartext gesprochen hatte, packte Merkel das Zuckerbrot aus: Sie wünsche sich ein „starkes Großbritannien in einer starken EU“, die sich „Fehler eingestehen und den Herausforderungen unserer Zeit stellen“ müsse. „Unsere Vorstellungen der künftigen Entwicklung der Europäischen Union mögen sich in Details immer wieder unterscheiden, aber wir, Deutschland und Großbritannien, teilen das Ziel einer starken, wettbewerbsfähigen Europäischen Union, die ihre Kräfte bündelt“, so Merkel. Und direkt an die Adresse Camerons gerichtet: „Wer es ernst meint mit einer Veränderung, wird dazu im bestehenden Rahmen die notwendigen Instrumente finden.“

Opt-outs beim Arbeitsrecht

Berlin teilt zwar die Sorge Londons, dass die EU im globalen Wettbewerb den Anschluss zu verlieren droht. Aber man reagiert mit zunehmendem Unwillen darauf, dass Cameron weiter eine detaillierte Ausgestaltung der von ihm verlangten EU-Reform schuldig bleibt. Nach einer Neuverhandlung des Verhältnisses mit Brüssel will der Premierminister die Briten 2017 über einen Verbleib in der Union abstimmen lassen. Zuletzt hatte sich auch die Labour-Partei für ein solches Referendum ausgesprochen. Umfragen zufolge wollen bei einer substanziellen Neuordnung der Beziehungen 52 Prozent der Briten in der EU bleiben. Wenn der Status quo aber unverändert bleibt, wollen 45 Prozent den Austritt und nur 32 Prozent den Verbleib.

Während Merkel einer Änderung der EU-Verträge („Die Büchse Pandoras“, so ein deutscher Diplomat gestern zur „Presse“) eine Absage erteilte, signalisierte sie auch in einzelnen Punkten Entgegenkommen. Nach einem Bericht des „Guardian“ soll etwa sichergestellt werden, dass die Eurostaaten in Fragen des gemeinsamen Marktes die restlichen EU-Länder nicht überstimmen können. Zudem sei man zu „opt-outs“ etwa beim Arbeitsrecht bereit.

Nach Willy Brandt und Richard von Weizsäcker war Merkel erst die dritte Vertreterin Deutschlands, die vor beiden Häusern des britischen Parlaments sprechen durfte. Nach einem Mittagessen mit Premier Cameron wurde sie zum Tee bei der Queen erwartet.

Ein wichtiges Europa-Thema war bei den Gesprächen auch die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Der von Merkel (zögerlich) unterstützte ehemalige Luxemburger Regierungschef Jean-Claude Juncker ist für London ebenso inakzeptabel wie der deutsche Sozialdemokrat Martin Schulz. Kandidaten, mit denen London leben könnte, wären dem Vernehmen nach IWF-Chefin Christine Lagarde und der irische Regierungschef Enda Kenny.

AUF EINEN BLICK

Merkel in London. Die deutsche Bundeskanzlerin erteilte Wünschen des britischen Premiers nach einer grundlegenden Reform der EU eine Absage. Damit steht fest, dass Cameron mit seiner Forderung unter den großen EU-Ländern isoliert ist. Auch Frankreichs Präsident Hollande hat ihm bereits die Unterstützung verweigert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Kommentare

Mr. Camerons einsamer Kampf

Der Premier blitzte bei Kanzlerin Merkel ab. Nun muss er die Taktik ändern.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.