Panoramakick und Gaumenfreuden

Gruppo Sella visto dalla Marmolada
Gruppo Sella visto dalla MarmoladaWilliam Domenichini/Wikipedia
  • Drucken

Nie ist Skifahren schöner als im Märrz, speziell dort, wo es wie heuer Jahrhundertschnee gibt: Alta Badia, wo die Ladiner Slope Food servieren, am Arlberg natürlich, in Cortina und in Sölden.

Die Überraschung wartet auf den letzten Metern. Kurz vor der Einfahrt in die Bergstation am Col Alto rückt das Felsentheater von Piz Boe und Sassongher für ein paar Sekunden in den Hintergrund. Plötzlich zieht ein Technikdenkmal längst vergangener Zeiten die Blicke der Wintersportler in der quietschgelben Achtergondel auf sich. Im Vergleich zum Komforttransport, den wir gerade von Corvara aus genießen, wirken die Reste des sagenumwobenen Vorgängerlifts nicht gerade vertrauenerweckend. Kaum armdick ragen die eisernen Stützen aus dem Schnee, auch der letzte verbliebene Sitz wirkt alles andere als bequem. Dabei war der Sessellift 1947 eine Sensation: der erste Italiens. Nach dem rumpligen Schlittenlift, der in den 1920er-Jahren den Wintertourismus in Alta Badia begründete, sorgte der Sessel für den Einstieg in den Genuss. Auf den setzen die hedonistischen Ladiner bis heute. Nicht zuletzt in kulinarischer Hinsicht wird ein Skitag im Unesco-Weltnaturerbe Dolomiten weltweit nur schwer zu toppen sein. Denn während in vielen Skihütten auf der Nordseite des Brenners bis heute die Ideenvielfalt auf der Speisekarte über Currywurst mit Pommes und gatschige Käsespätzle selten hinauskommt, wird im Schatten von Sella, Marmolada und Lagazuoi seit jeher auf höchstem Niveau gekocht. Dieser Tradition folgend wird in diesem Winter der „Häppchen-Aperitif“ auf der Piste gereicht. Slope Food nennt sich das Programm, dem anglophilen Zeitgeist entsprechend. Doch hinter dem etwas sperrigen Wortspiel aus Slow Food und Slope (Piste) verbergen sich Gourmetfreuden, die es so bislang in keinem Skigebiet gibt.

Speck und Schüttelbrot-Mousse

Wie zarte Blütenkelche eines Enzians recken sich die drei knusprigen Waffelstanitzel aus dem grauen Steinbrocken, mit dem sie in der Bioch-Hütte auf den Tisch kommen. Für die Füllung hat Slope-Food-Erfinder und Starkoch Norbert Niederkofler aus St. Kassian nur Zutaten seiner Heimat verwendet: Aus Speck und Schüttelbrot – harten, knusprigen Fladen aus Hefeteig – kreierte er eine Mousse, die zweite aus Forelle, Apfel und Rettich, für die dritte wählte er den unansehnlichen, aber stark aromatischen Graukäse, Schnittlauch und rote Zwiebel. Wie seine 13 Kollegen, die jeweils für ein ähnliches Aperitif-Häppchen auf einer Hütte im Skigebiet Alta Badia Pate standen, musste der Zweisternekoch kulinarische Finesse mit der Machbarkeit vor Ort verbinden. „Die Gastronomie unserer Region hat in den letzten Jahren einen gewaltigen Sprung nach vorn gemacht“, sagt Niederkofler. „Diese Qualität wollten wir auch auf den Berg bringen.“ In Abstimmung zwischen Hüttenwirt und Koch-Pate entstanden so verführerische Köstlichkeiten, die immer mit dem passenden Wein – natürlich aus Südtirol – kredenzt werden.

Aber nicht nur einheimische Kochkünstler waren am Werk. Ana Roš vom Restaurant Hiša Franko in Kobarid (Karfreit) zum Beispiel beweist mit ihrer Creme brulée vom Reh mit Rhododendron-Honig-Rotkraut und Latschenkiefer-Krokant, die in der Hütte Piz Arlara serviert wird, dass auch Sloweninnen mit Südtiroler Zutaten Gaumenfreuden der Extraklasse kreieren können.

Dazu passt auch das phänomenale 360-Grad-Gipfelpanorama, das den Griff zu Messer und Gabel fast vergessen lässt. Auf der einen Seite wuchten sich die braunroten Felsgiganten von Kreuzkofel und Lagazuoi in den Himmel, auf der anderen gleißen die Eisfelder des Marmolada-Gletschers – hier spielen die Dolomiten alle ihre Trümpfe aus. Auf dem sanften Hochplateau, das von St. Kassian, La Villa und Corvara aus erschlossen ist, lässt sich die Kulisse auch bestens beim Schwingen durch den Schnee genießen. Die meisten Pisten sind leicht bis mittelschwer und laden zum weiten Carven ein.

Wer eher die Herausforderung sucht, sollte die Gran Risa vom Piz La Ila hinunter nach La Villa unter die Kanten nehmen. In einem neuen Ranking des Internetpokals www.snowonline.de wird die 1,5 Kilometer lange Weltcuppiste als eine von alpenweit zehn besten Abfahrten für Könner gelistet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.