Ich will Lena Dunham nackt sehen

Actress Lena Dunham arrives at the 71st annual Golden Globe Awards in Beverly Hills
Actress Lena Dunham arrives at the 71st annual Golden Globe Awards in Beverly HillsREUTERS
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Die dritte Staffel der Serie "Girls" ist noch großartiger als die vorigen. Und Lena Dunham, Verfasserin und Darstellerin der Hauptfigur, schockiert auch, wenn sie einmal Bikini trägt.

Mit dem Sex ist das so eine Sache. Vermutlich ist er wirklich nicht besonders ansehnlich. Jedenfalls dann, wenn das Bett nicht kunstvoll zerwühlt ist, sondern einfach nur ungemacht; wenn auf dem Nachtkastl statt Sekt und Erdbeeren noch das Müsli vom Morgen steht; wenn mindestens einer der Mitwirkenden eine normale Figur hat. Und wenn man nicht den „Ach, ich begehre dich ja sooo, lass uns in die Kissen sinken“-Sex zeigt, sondern den „Es ist Nachmittag und wir haben nichts zu tun, wie wär's denn mit Sex“-Sex.

Und das tut „Girls“, jene Serie, die Lena Dunham geschrieben hat und in der sie selbst die Hauptfigur spielt: Derzeit strahlen HBO und Sky (Deutschland) die dritte Staffel aus. Auch sonst hat die Geschichte rund um vier junge Frauen wenig Glamour, und der Zuschauer kann es halten wie mit den Romanen von Marlene Streeruwitz: Er kann Mitleid empfinden mit Menschen, die Wein aus Gurkengläsern trinken und Sex auf Hochbetten haben. Oder er sieht es nüchterner: So schlecht ist dieses Leben der vier Frauen nämlich gar nicht.


Die Jungautorin schreibt Advertorials. Es ist nur sehr, sehr unsicher. Die Ausbildung ist abgeschlossen, die Träume groß, die tolle Karriere aber noch nicht in Sicht, auch wenn oder gerade weil Hannah Horvath, unsere liebenswerte Hauptfigur, in der dritten Staffel einen gar nicht so schlecht bezahlten Job gefunden hat. Sie verfasst Advertorials für ein Magazin, das heißt: Firmen bestellen bei ihr Interviews und Geschichten rund um ihre Produkte. In der Folge vergangenen Sonntag galt es, ein Mittel gegen Osteoporose zu bewerben, dafür musste Hannah eine ältere Schauspielerin überreden, so zu tun, als leide sie seit Längerem an Knochenschwund.

Dabei wollte sie doch Autorin werden! Die Stimme ihrer Generation! Oder wenigstens „eine Stimme einer Generation“.

Wer später seinen Platz gefunden hat, neigt dazu, die Zeit der Unsicherheit zu glorifizieren, sie umzuinterpretieren, jedes Praktikum brachte einen näher ans Ziel, aus Zufällen wird Bestimmung, aus dem Scheitern ein Lernprozess. Die vielen Anläufe und Umwege werden vergessen: stattdessen Heldengeschichten, Legenden vom geglückten Leben. Lena Dunheim zeigt uns, wie es ist, mittendrin zu sein in dieser Zeit des Umbruchs.


Weil sie dick ist! Aber ich liebe diese Serie auch, weil Lena Dunham darin nackt ist. Und zwar ziemlich oft. Sie spielt nackt Tischtennis. Sitzt nackt am Rechner. Faulenzt nackt im Bett. Wie das junge Menschen eben tun, wenn sie in einem liberalen Elternhaus aufgewachsen sind.

Manchen Kritikern und Zusehern ist das zu viel. Es sei, meinen sie, nachgerade „exhibitionistisch“, wie oft Lena Dunham sich unbekleidete Szenen ins Drehbuch schreibt. In einer der letzten Folgen hat die Autorin und Schauspielerin raffiniert gekontert: Sie trug darin einen Bikini, praktisch die ganze Zeit über, durchaus motiviert, sie verbringt nämlich ein Wochenende mit ihren Freundinnen in einem Strandhaus. Und siehe da: Im Bikini schockiert sie uns nicht weniger! Weil es nämlich gar nicht darum geht, dass Lena Dunham oft unbekleidet ist, Nackte sind wir schließlich gewohnt, Nackte räkeln sich auf Autos, Nackte prosten sich mit Bier zu, Nackte liegen auf Chili-Schoten und werben so für den Vegetarismus. Was uns schockiert – und zwar auch Frauen, die für sich in Anspruch nehmen, nicht dem klassischen Schönheitsideal das Wort zu reden – ist die Tatsache, dass Lena Dunham nackt ist – und dabei nicht schlank.

„Dress for the body you have not the body you want“: So sind wir aufgewachsen, wir kennen Kilos nur als kaschierte, und das verweigert Lena Dunham, die sich in der Serie ja betont „unvorteilhaft“, also nicht kaschierend kleidet – sodass eine Journalistin der „Süddeutschen Zeitung“ nach einem Treffen erstaunt notierte, dass die „richtige“ Lena Dunham „deutlich hübscher“ sei als in der Serie.

Na klar! Das eine ist eine Figur. Und das andere ist eine Frau (die sich auch – ohne dass man es ihr zum Vorwurf machen sollte – für die Vogue fotografieren und retuschieren lassen darf). So müssen wir denn auch unseren Titel korrigieren: Lena Dunham kann gern angezogen bleiben. Aber Hannah Horvath will ich nackt sehen – immer und immer wieder.

sTECKBRIEF

1986 wurde Lena Dunham in New York City geboren, sie studierte Kreatives Schreiben und brachte 2009 den Film „Creative Nonfiction“ heraus.

2012 kam „Girls“ ins Fernsehen, produziert vom Sender HBO. Im deutschen Sprachraum lief die Geschichte von vier jungen Frauen in New York auf ZDFneo. Auf SKY ist derzeit die dritte Staffel zu sehen. Eine vierte Staffel ist geplant.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2014)

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