86. Oscars: Historischer Sieg? Nein, Selfie-Rekord!

USA ACADEMY AWARDS 2014
USA ACADEMY AWARDS 2014(c) APA/EPA/Aaron Poole / AMPAS HAND (Aaron Poole / AMPAS HANDOUT)
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„12 Years a Slave“ wurde bester Film – doch der Konkurrent „Gravity“ räumte ab. Trotz guter Moderation litt der Abend an völliger Vorhersehbarkeit der Preise.

Den gemeinsten Scherz der Oscar-Gala 2014 machte Moderatorin Ellen DeGeneres gleich zu Beginn: „Möglichkeit Nummer eins: ,12 Years a Slave‘ gewinnt als bester Film“, stellte sie in Aussicht. Und fügte an: „Möglichkeit zwei: Ihr seid alle Rassisten.“ Damit hatte DeGeneres zusammengefasst, was die Academy unter den Augen der Weltöffentlichkeit von sich selbst erwartete – und worauf die Inserate der Oscar-Kampagne zu Steve McQueens Sklavensaga mit der knappen Feststellung „It's time“ pochten: Im 86.Jahr der berühmtesten Auszeichnung Hollywoods war es also endlich an der Zeit, dass ein Werk eines schwarzen Regisseurs als bester Film prämiert wurde.

Auftragserfüllung mit dem Hauptpreis

„Ich bin so ekstatisch und froh für uns alle“, sagte der Filmemacher McQueen, der als Produzent seines Films (zusammen mit Brad Pitt und drei anderen) abschließend auf die Bühne kam, um den Hauptpreis entgegenzunehmen und einen Freudensprung machte. Die späte Anerkennung für Afroamerikaner – leise Ironie im Triumph: Steve McQueen ist Brite – war so etwas wie die offizielle Mission der 86. Academy Awards. Denn „12 Years a Slave“ wurde in den USA binnen kürzester Zeit zum Flaggschiff-Film der Obama-Ära, eine Art „Schindlers Liste“ für die Sklaverei: Unter dem ersten afroamerikanischen US-Präsidenten ist das lang vernachlässigte Thema groß im Hollywood-Mainstream angekommen, und McQueens Geschichte eines außergewöhnlichen Sklavenschicksals (nach der Autobiografie von Solomon Northup) ist der Prestigefilm dieser Welle – sie soll bereits nächstes Jahr auf den US-Lehrplänen stehen.

Mit dem Sieg in der Hauptkategorie hatten die Wahlberechtigten der Academy dann doch ihren Auftrag erfüllt: So hatte „12 Years a Slave“ das letzte Wort, nachdem er im erwarteten Kopf-an-Kopf-Rennen vom Weltall-Thriller „Gravity“ ausgestochen wurde – McQueens Sklavensaga erhielt „nur“ drei Oscars (adaptiertes Drehbuch, Nebendarstellerin Lupita Nyong'o), der aufwendige digitale Blockbuster sieben. „Gravity“ punktete dabei vor allem dank der erwarteten Technikpreise – darunter allerdings auch die zentralen für Kamera und Schnitt – sowie des Regie-Oscar für den Mexikaner Alfonso Cuarón.

Diese Trennung der Auszeichnung für den besten Film und die Regie wurde ebenfalls vorhergesagt, zuletzt teilten die Oscars so schon öfter salomonisch zwischen thematischer und technischer Leistung – und diesmal auch preishistorisch: Cuarón ist der erste Latino, der bester Regisseur wurde. Überhaupt kam ein Oscar nach dem anderen daher, wie von den Buchmachern bestellt: Außer beim Originaldrehbuch – Spike Jonze gewann für seine virtuelle Liebesgeschichte „Her“ – gab es keine einzige Überraschung. So gesehen schien rückblickend die Gemeinheit an der Anmoderation von DeGeneres weniger ihre bissige Bemerkung, als dass sie geradezu vorweggenommen hatte, wie vorhersehbar der Abend verlaufen würde.

Musik-Intermezzi belebten immerhin

Da half weder die eigentlich geglückte Moderatorinnenwahl noch alles hochprofessionelle Bemühen um zügigen Verlauf: Jared Letos Nebendarsteller-Oscar für „Dallas Buyers Club“ eröffnete eine Serie von Favoritensiegen, oft vom Zettel abgelesene Dankesansprachen sorgten selten für Heiterkeit oder Rührung. So sagte Leto gleich, dass man in dieser Nacht an Russland und Venezuela denke – um dann nahtlos und pflichtgemäß zum Lob für seine Produktionsfirma Focus Features überzugehen. Der Traumfabrik-Spagat zwischen Auftrag und Geschäft kam sofort besonders deutlich zum Ausdruck.

Für Belebung sorgten musikalische Intermezzi, weniger in den (für eine Oscar-Show relativ modernen) Bester-Song-Darbietungen von Pharell Williams oder Bono mit U2 als in der Dankesrede der Gewinner dieser Kategorie für die Disney-Animation „Frozen“. Das Ehepaar Lopez reimte froh: „Happy Oscar to you, let's do ,Frozen 2‘!“

Dazu kam die echt wirkende Freude von Newcomerin Nyong'o, als sie zu dem vom Österreicher Christoph Waltz überreichten Nebendarstellerinnen-Oscar tänzelte. Und das hingebungsvoll geschmetterte Ständchen von Phil-Spector-Veteranin Darlene Love, die mitgekommen war, um den Doku-Oscar für „20 Feet from Stardom“ über Backgroundsängerinnen einzustreichen, und Standing Ovations erntete. Überhaupt wurde die vorgeschriebene Redezeit von 45 Sekunden diesmal nicht so streng durchgesetzt. So herrschte schon etwas Ermüdung, als es nach zwei Stunden an die Hauptpreise ging.

Blanchett: „Die Welt ist rund, Leute!“

Da mochte sich Cate Blanchett, für „Blue Jasmine“ zur besten Hauptdarstellerin gekürt, noch so für ihren nun umstrittenen Regisseur Woody Allen (mäßige Publikumsreaktion), australische Kinokreative (etwas mehr) und Filme mit Frauen im Mittelpunkt (entschieden mehr) einsetzen. Nach vielen braven Plattitüden reagierte man auf ihre Gleichberechtigungs-Schlusspointe „Die Welt ist rund, Leute!“ eher mit: „Musste wohl auch einmal gesagt werden.“ Nur Matthew McConaughey beeindruckte mit einer bizarren Akzeptanzshow beim Hauptdarsteller-Oscar für „Dallas Buyers Club“: In wirren Worten dankte er u.a. seiner Familie, auch dem mit Bier in Unterwäsche im Himmel sitzenden Papa, und Gott, der ihm „gezeigt hat, „dass es ein wissenschaftliches Faktum ist, dass Dankbarkeit sich erkenntlich zeigt“ (sic).

Die Oscar-Gala selbst zeigte einen moderaten Neuansatz zur Selbstvermarktung. Die solide Stand-up-Comedy von Moderatorin DeGeneres war weniger altmodisch als bei Billy Crystal, aber nicht so bemüht heutig wie zuletzt bei Seth McFarlane. Indem sie sich zusehends als Vermittlerin zwischen Zusehern und Kreativen in das Auditorium begab, wo sie Pizza bestellte und verteilte oder ein Selfie-Foto von sich im Prominentenkreis aufnahm, verbreitete DeGeneres die Botschaft: Seht, wie nahe uns die Stars diesen Abend sind! Jenseits der angeknacksten TV-Quote konnte so der Marktwert der Oscars etwa als live verfolgtes Online-Phänomen untermauert werden: Nachdem DeGeneres zum Retweet des Selfie-Bilds aufforderte, brach es binnen kurzer Zeit den Twitter-Rekord. Verdrängt wurde übrigens ein Obama-Tweet: Vielleicht wird man ihn als Präsident filmisch doch nicht mit dem Sieg von „12 Years a Slave“ assoziieren, sondern mit diesem symbolischen Selbstbild Hollywoods.

GROSSE SIEGER BEI DEN 86. OSCARS

Mehr rund um die Gala:www.diepresse.com/OscarsSieben Oscars für „Gravity“: Regisseur Alfonso Cuarón, Kameramann Emmanuel Lubezki, Schnitt, Musik, Tonschnitt, Tonmix und visuelle Effekte.

Drei Oscars für „12 Years a Slave“: Bester Film, Nebendarstellerin Lupita Nyong'o und adaptiertes Drehbuch (John Ridley).

Drei Oscars für „Dallas Buyers Club“: HauptdarstellerMatthew McConaughey, Nebendarsteller Jared Leto und Make-up/Hairstyling.

Je zwei Oscars (in Nebenkategorien) gingen an„Frozen“ sowie „The Great Gatsby“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2014)

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