Alexander Viscio: Das Glück in der Skulptur

Alexander Viscio
Alexander Viscio(c) Christine Pichler
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Der Amerikaner Alexander Viscio bestreitet ein Kunstprojekt zum Gedenkjahr 2014 in Sarajewo.

Outsourcing. Alexander Viscio will diesem Wort eine neue, positive Bedeutung geben.
Outsourcing. Alexander Viscio will diesem Wort eine neue, positive Bedeutung geben. (c) Christine Pichler

Der Auftrag ist offiziell, die Location delikat: Gefragt ist ein künstlerischer Kommentar zum Attentat auf den österreichischen Thronfolger, Franz Ferdinand, und seine Frau 1914 in Sarajewo. Auftraggeber ist die Republik Österreich, gesucht war eine Persönlichkeit mit österreichischen Wurzeln. Aber niemand traute sich die Aufgabe zu. So fiel die Wahl auf einen Amerikaner. Nicht, dass Alexander Viscio, der mit kurzen Unterbrechungen seit 1999 in Wien lebt, die Förderbedingungen nicht erfüllen würde. Doch mit österreichischem Patriotismus hat der New Yorker Künstler, der an der renommierten Kunstschule CalArts (California Institute of the Arts) unter anderem bei John Baldessari studierte, nichts am Hut. Umso mehr empfahl sich Viscio mit einer Performance, für die er sich 2012 in einem mannshohen Laufrad einsperren ließ und während einer Vernissage Dutzende unbequeme Kilometer abspulte.

Ein Ort, wo man nicht sein will. Die Aktion in der Wiener Galerie Stock demonstrierte seine Fähigkeit, psychologische und gesellschaftliche Befindlichkeiten zu erfassen und in kontextbezogenen Objekten auf den Punkt zu bringen. „Ich bin für das Projekt outgesourct worden“, sagt Alexander Viscio lachend beim Interview in seinem Atelier im 20. Bezirk. Viscio, der sich selbst als „Wortschmied“ bezeichnet, nimmt die Sache beim Wort. „Sarajewo ist mit einer Jugendarbeitslosenquote von weit über 50 Prozent ein Ort, wo man eigentlich nicht sein will. Als Künstler bin ich allerdings für die Herausforderung bereit.“ „Outsourcing“ wurde zum Schlüsselbegriff seines Sarajewo-Projektes. „Für mich hat das Wort zwei Referenzen“, sagt er. „Outsourcing bezieht sich zum einen auf die Praxis von Firmen, Arbeit in ein anderes Land auszulagern, um Lohnkosten zu sparen, was im Ursprungsland zum Verlust von Arbeitsplätzen und zu Kinderarbeit am neuen Standort führt. Zum anderen spielt es eine zentrale Rolle in meiner 2008 – also als die Finanzkrise unter anderem mit der Insolvenz der Lehman Brothers ihren Höhepunkt erreichte – begonnenen Serie ,Dirty Words from America‘, einer Sammlung vulgärer oder aggressiver Ausdrücke, darunter ,asshole‘, ‚bomb‘, ,occupy‘, die ich ursprünglich als Gussformen in Sperrholz nachgebildet habe.“

Zum Teil hatte Viscio diese hölzernen Formen auch als Vorlage für begehbare Räume interpretiert. Auf das menschliche Maß vergrößert und in die Horizontale gekippt, bildete etwa der im Stil von Bauhauslettern simplifizierte Schriftzug „occupy“ in Anspielung auf die gleichnamige weltweite Bewegung 2012 den Grundriss für eine begehbare Open-Air-Skulptur, die über hundert Leute fassen konnte und im Zug eines AIR-Aufenthalts im bosnischen Tuzla realisiert wurde. Für „O2S14“ – kurz für „Outsourcing to Sarajevo 2014“ – beschloss Viscio, das Outsourcing-Prinzip zum Leitfaden des gesamten Sarajewo-Projektes zu machen. Allerdings in einem ins Positive gewendeten Wortsinn, bei dem auch der ökonomische Aspekt als Antwort auf die prekäre wirtschaftliche Situation vor Ort Berücksichtigung finden sollte. „O2S14 ist ein Projekt für Sarajewo und die dortige Bevölkerung“, sagt er. Auch diesmal ist der Schriftzug Ausgangsbasis für eine zum Himmel hin offene, nach außen hin lippenstiftrot bemalte Großskulptur im Freibereich auf dem Gelände des Nationalmuseums von Sarajewo: So lagert der outgesourcte Künstler bei seiner Arbeit an lokale Betriebe aus, die die Open-Air-Skulptur unter Federführung des Architekten Emir Skalic umsetzen. „Mit den geschwungenen Wänden ist die Skulptur sehr kompliziert zu produzieren. Indem ich sie vor Ort anfertigen lasse, soll gezeigt werden, dass es auch in einer Region mit hoher Arbeitslosigkeit ein Qualitätsniveau gibt, das dem, was man von Amerika oder Europa gewohnt ist, in nichts nachsteht. Die Skulptur wird perfekt ausgeführt sein wie eine Jeff-Koons-Arbeit.“

Glücklich sein. Weiters sind 14 Künstlerinnen und Künstler aus Österreich und Bosnien eingeladen, an der Gestaltung des Pavillons mitzuwirken und gegen Honorar Arbeiten zu liefern, mit deren Reproduktionen Innenwände und Fußboden tapeziert werden, etwa Gabi Trinkaus, Michael Goldgruber, Michael Kienzer, Patrick Baumüller. „Das eigentliche Kunstwerk sind aber die Bewohner von Sarajewo. Sie sollen diese Skulptur betreten und sich in diesem Raum, der wie ein trojanisches Pferd des 21. Jahrhunderts daherkommt, bewegen – und einfach glücklich sein an diesem zum Himmel hin offenen Platz ohne Dach.“ Wie in Pharell William’s Hitparadenstürmer „Happy“: „Because I'm happy. Clap along if you feel like a room without a roof.“

Tipp

„O2S14. Outsourcing to Sarajevo”: 28.6. bis 28.7. Öffentlicher Raum vor dem Nationalmuseum von Bosnien und Herzegowina, Sarajewo.

„Alexander Viscio: 4 am Los Angeles“, bis 26.4. bei Galerie Michaela Stock /  Next door.
Alexanderviscio.com

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