Schimon, der weise Optimist - Peres, der notorische Wahlverlierer

Seit 60 Jahren mischt der 91-jährige Schimon Peres in der israelischen Politik mit. Zuversicht, Realitätssinn und Humor zeichnen diesen Ausnahmepolitiker aus.

Mit Schimon Peres war zuletzt nicht nur der derzeit älteste Staatspräsident zu Gast in Wien, sondern auch eine der interessantesten und vielschichtigsten politischen Persönlichkeiten der Gegenwart. Und es gibt wohl auch nicht viele Politiker, die einen so reichhaltigen Schatz an klugen, philosophischen und verschmitzten Zitaten hinterlassen wie Peres. Nach 91 Lebensjahren, davon mehr als 60 in der Politik, ließe sich wohl ein ganzer Kalender mit seinen Sprüchen füllen.

Dabei ist er ein ständig Suchender und kreativ Denkender geblieben: „Wer sagt, dass Zufriedenheit eine tolle Sache ist, sollte wissen, dass jene, die zufrieden sind, aufhören, kreativ zu sein“, sagt er. So wird Schimon Peres in zwei Monaten seine erfolgreiche und höchst populäre siebenjährige Amtszeit als israelischer Staatspräsident beenden. Er hat aber bereits konkrete Pläne, welchen Aktivitäten er sich danach widmen möchte.

Schimon Peres wird vor allem auch mit den Friedensbemühungen im Nahen Osten in Verbindung gebracht. Er gilt als „Taube“, ist dabei aber immer Realist geblieben: „Den Frieden kann man nicht mit leeren Worten gewinnen, so wie man keinen Krieg ohne Kanonen gewinnt.“ Peres war immer an vorderster Front bei Verhandlungen mit arabischen Ländern dabei, reiste mitunter in geheimer Mission und sogar verkleidet, wie er vor Kurzem auch anhand von Fotos enthüllt hat – siehe die Postings auf seiner Facebook-Seite.

1994 wurde er mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Damals hieß es, er habe ihn sich am meisten verdient. Unvergessen wird er in Israel aber auch immer dafür bleiben, dass er bereits in den 1960er-Jahren die Herstellung von israelischen Atomwaffen gesichert habe.

Mit der Popularität von Schimon Peres in Israel ist es so eine Sache: Zuletzt hatte er eine noch nie da gewesene, Popularitätsrate von 82 Prozent erreicht. Das war aber nicht immer so. Bis zu seinem Einzug ins Präsidentenamt galt er als Sinnbild eines Wahlverlierers. Premierminister wurde er mehrmals durch geschicktes Verhandeln und die Einführung überaus innovativer Konzepte wie jenes der „Rotation“. So wechselten Jitzhak Schamir und Peres einander über zwei Legislaturperioden in zwei Jahresabständen als Premierminister ab.

Über seine mangelnde Popularität bei den Wählern gab es sogar eigene Witze. Frage: Warum hat Peres jetzt seine Wohnung aufgegeben und sich ein Haus gekauft? Die Antwort: Weil er sogar die Wahlen für den Vorsitz der Hausversammlung verloren hat.

Der Witz könnte von Peres selbst stammen – selbstkritisch, tiefsinnig, in bester Tradition des jüdischen Humors. Auch Peres stammt aus dem früheren Kerngebiet jüdischen Lebens, zwischen Polen, Litauen, Weißrussland und der Ukraine, wo Jiddisch die Sprache und das Studium des Talmuds Alltag war. Wortwitz und der Schalk sitzt Peres immer noch im Nacken. Bei einem Treffen mit der jüdischen Gemeinde in Wien vor zwei Tagen gab er weitere Kostproben davon zum Besten.

Danach gefragt, was die größte Errungenschaft seines langen politischen Lebens gewesen sei, antwortete er verschmitzt: „Meine größte Leistung wird morgen sein. Für mich ist nur die Zukunft wichtig. Ich kümmere mich nicht um meine vergangenen Taten“ – und Peres sorgte damit für nachdenkliche Heiterkeit.

Schließlich legte er nach. Wie er es denn geschafft habe, immer ein Optimist zu bleiben, war die Frage. Diese beantwortete Peres talmudisch-philosophisch und wieder mit einem spitzbübischen Lächeln: „Schauen Sie, ich bin ein Realist. Ich weiß, dass Optimisten und Pessimisten auf die genau gleiche Art sterben. Das Einzige, was sie unterscheidet, ist das Leben, das sie davor führen. Da hat es der Optimist viel leichter und schöner – also war meine Wahl sehr einfach.“ Man wünschte sich, dass es in Israel und in der Welt mehr Persönlichkeiten wie Schimon Peres geben würde.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

Zum Autor:

Mag. Martin Engelberg ist Psychoanalytiker, Geschäftsführer der Wiener Psychoanalytischen Akademie,
geschäftsführender Gesellschafter der Vienna Consulting Group sowie
Mitherausgeber des jüdischen Magazins „NU“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2014)

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