Saudiarabien: Blutgeld rettet Hausmädchen vor Tod

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Eine indonesische Hausangestellte sollte in der Golfmonarchie hingerichtet werden. Sie ist eine von rund 1,5 Millionen Frauen, die dort arbeiten und kaum Rechte haben.

Wien. Seit mehr als drei Jahren sitzt die Indonesierin Satiniah in einem Gefängnis in Saudiarabien in der Todeszelle. Die 40-Jährige, die als Hausangestellte im streng islamischen Königreich am Golf arbeitete, wurde wegen Mordes an ihrer Arbeitgeberin zum Tod verurteilt.

Dieses Wochenende hätte Satiniah enthauptet werden sollen. Nur durch die Bezahlung von umgerechnet 1,2 Millionen Euro Blutgeld an die Familie der Ermordeten konnte die Exekution gemäß der Scharia-Normen verhindert werden. Das Geld hatten Satiniahs Angehörige im ebenfalls vorwiegend muslimischen Indonesien gesammelt – da diese nur die Hälfte der Summe zusammenkratzen konnten, bezahlte die Regierung in Jakarta die andere Hälfte.

Die Geschichte der Indonesierin beschäftigt nicht nur die Behörden beider Länder. Sie rückt auch die unterdrückerischen Arbeitsbedingungen ins Licht, denen Angestellte in saudischen Haushalten oft ausgesetzt sind. Satiniah ist eine von 41 Indonesiern, denen in Saudiarabien die Hinrichtung droht. Die Anklagen reichen von Diebstahl über schwarze Magie und Ehebruch bis zu Mord.

Satiniah gab bei ihrer Einvernahme an, aus Notwehr gehandelt zu haben. Als ihre Arbeitgeberin sie in der Küche bei den Haaren riss und ihren Kopf gegen die Wand schlagen wollte, setzte sie sich mit einem Nudelholz zur Wehr. In einer anderen Version heißt es: Die Indonesierin sei beim Diebstahl von Geld ertappt worden. Fest steht: Ihre Chefin starb.

Machtlos gegen die Behörden

„In Satiniah Fall werden wir nie erfahren, was hinter verschlossenen Türen passiert ist“, erklärt Nisha Varia von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Die meisten Hausmädchen seien ihren Arbeitgebern aber ausgeliefert. Sie müssen ihre Reisepässe abgeben, werden eingeschüchtert, misshandelt. Sie schuften von frühmorgens bis in die Nacht, haben nie frei und werden in den Häusern ihrer Dienstherren eingesperrt. Viele berichten, dass sie, obwohl sie von Jobagenturen scheinbar legal vermittelt wurden, nie Lohn bekamen.

„Viele der Frauen akzeptieren die Misshandlungen, weil sie fürchten, dass die saudischen Behörden ihnen nicht glauben. Sie sprechen meist nicht Arabisch, kennen die Gesetze und auch ihre Rechte nicht“, schreibt Varia auf der Website von Human Rights Watch.

Rund 1,5 Millionen Frauen arbeiten in Saudiarabien als Hausangestellte. Die meisten kommen aus Indonesien, Sri Lanka, Äthiopien und von den Philippinen. Nachdem 2011 eine Indonesierin hingerichtet worden war und weitere Fälle schwerer Misshandlungen bekannt wurden (einem Dienstmädchen wurden gar Nägel in den Körper geschlagen), ließ Jakarta keine Arbeiter mehr in die Golfregion reisen. Saudiarabien, bekannt für harte Gesetze gegenüber ausländischen Arbeitern, reagierte mit einem Visastopp für Indonesier.

Einigung über Arbeitsrecht

Erst im Februar 2014 unterzeichneten Jakarta und Riad eine Einigung über die Rechte von Hausangestellten: Sie dürfen ihre Reisepässe behalten, ihre Familien zu Hause anrufen, müssen bezahlt werden – und dürfen täglich nicht mehr als 15 Stunden arbeiten.

HINTERGRUND

In Saudiarabien und anderen Golfstaaten werken Millionen Gastarbeiter aus meist ärmeren Staaten wie Pakistan, Indonesien, Sri Lanka oder Äthiopien. Viele davon werden schlecht oder gar nicht bezahlt, von ihren Arbeitgebern mies behandelt und ausgebeutet. Und von den staatlichen Behörden haben sie im Ernstfall auch wenig Entgegenkommen oder Hilfe zu erwarten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2014)

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