Wo die Seele des Bieres entsteht

Wo die Seele des Bieres entsteht
Wo die Seele des Bieres entstehtStiegl
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Malz gibt dem Bier Charakter, wird aber nur von wenigen Brauern selbst gemacht.

C12H22O11 steht in großen Buchstaben vor dem Eingang der Mälzereihalle des Guts Wildshut, wo die alten Getreidesorten gleich weiterverarbeitet werden. Die Kombination aus Buchstaben und Ziffern ist die chemische Formel von Malzzucker und weist darauf hin, was im Inneren des Gebäudes vor sich geht. In der Halle steht eine Mälzerei mit angeschlossener Rösterei. Das Besondere daran: Die für die Verarbeitung des Getreides notwendigen Prozesse werden in einem einzigen System geführt. Pro Charge können zwischen 600 Kilogramm und zwei Tonnen Getreide vermälzt werden – ideale Mengen zum Experimentieren und Spielen mit Geschmacksnuancen.

Malz gilt als die Seele des Bieres: Es prägt den Geschmack und die Farbe, es macht den Charakter eines Bieres aus. Allerdings arbeiten die meisten Brauer heute mit zugekauften Malzen. Dass eine Brauerei Malz selbst herstellt, hat Seltenheitswert.


Vielfalt der Biere. Für Heinrich Dieter Kiener, Eigentümer der Salzburger Stiegl-Brauerei, war die hauseigene Mälzerei für Kleinmengen nach dem Anbau von Urgetreide ein logischer Schritt. Dem Familienbetrieb geht es um geschmackliche Vielfalt der Biere. Da sind nicht nur die Ausgangsprodukte Wasser, Hopfen und Malz entscheidend, sondern auch die Weiterverarbeitung. Ohne große Umwege vom Feld direkt ins Glas kommen, lautet die Devise in Wildshut.

Um Malz zu erzeugen, wird das Getreide eingeweicht und zum Keimen gebracht. Das zum Leben erweckte Korn bildet Enzyme, und der Energiespeicher Stärke wird gespalten. Nach zirka fünf Tagen wird der Keimvorgang durch den Darrprozess gestoppt. Dabei wird durch stetigen Temperaturanstieg dem Korn Wasser entzogen. Die Abdarrtemperaturen liegen zwischen 75 und 105 Grad Celsius. So entstehen auf natürliche Weise die gewünschte Farbe und der Geschmack des Malzes.

Je nach Prozessführung, Dauer und Temperatur lassen sich helle und dunkle Malze herstellen. Die Mälzer arbeiten unterschiedliche Karamell-, Nuss- oder Kaffeenoten aus den Getreiden heraus, die Rohstoffe für die Biererzeugung werden veredelt.

„Ich experimentiere gern“, sagt Kreativbraumeister Markus Trinker, der in Wildshut für die Kleinmälzerei verantwortlich ist. „Es ist unheimlich spannend, bei der Auswahl der Sorten und dem Vermälzen zu spielen und auszuprobieren.“ Trinker mag die unmittelbare Arbeit mit dem Getreide. Er sieht es sich genau an, riecht daran und befühlt die Qualität. Allein dadurch entstehe im Kopf schon eine Vorstellung davon, welche Geschmacksnuancen später beim Brauen heranreifen können.


Dinkel für Damenbiere. „Dinkel gibt dem Bier einen sehr weichen Ton. Deshalb eignet sich Dinkelmalz gut für Damenbiere“, erzählt Trinker. Für ein herzhaft-würziges Aroma verwendet der Braumeister Emmer, einen engen Verwandten des Wildweizens. Emmer enthält viele Mineralstoffe und Aminosäuren. Schwarzhafer wiederum verleiht den Bieren eine nussige Note. Röstmalze, die auch einmal ein kräftiges Kaffeearoma verströmen können, sorgen für eine dunkle bis tiefschwarze Farbe des Bieres. Die Karamellmalze ergeben rötliche bis dunklere Bierfarben. Auch mit Kräutern, Kaffee und Kakao sorgt Trinker für überraschende Geschmackskombinationen. Er kann nur schwer verbergen, dass ihm das Ausprobieren und die Tüftelei, der kreative Teil seiner Arbeit, großen Spaß machen.

Ein Produkt der Tüftelei ist etwa das „Wildshuter Sortenspiel“. Es ist eines von mehreren Hausbieren der Brauerei und entsteht aus Getreiden, die auf den umliegenden Feldern geerntet und in der Mälzerei verarbeitet werden. Unter anderem werden Malze aus Dinkel, Emmer und Schwarzer Hafer dafür eingebraut.


Verkauf an Hobbybrauer.
Noch sind die Erzeugungsmengen in Wildshut gering. Man ist von den Erntemengen beim eigenen Getreide abhängig. Außerdem werden – trotz des Hypes rund um Craft-Biere – immer noch Klassiker wie Märzen und Pils am stärksten nachgefragt. Wenn aber die Erntemengen steigen, dann sollen die Malze nicht nur in die hauseigenen Braubottiche wandern. Weil die Hobby- und Kleinbrauerszene in Österreich immer größer wird und die Freaks gern experimentieren, plant die Brauerei, die Wildshuter Malze an Hobbybrauer zu verkaufen. Und man denkt dort auch schon an den nächsten Schritt: Auf den Innviertler Feldern soll bald Hopfen geerntet werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2014)

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