Katharina Stemberger: "Mich halten nicht viele Männer aus!"

Katharina Stemberger und Fabian Eder
Katharina Stemberger und Fabian Eder Die Presse
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Die Schauspielerin Katharina Stemberger und der Regisseur Fabian Eder sind seit 17 Jahren ein Paar. Mit der "Presse am Sonntag" sprachen sie über ihren neuen Film "Keine Insel", in dem es um Flüchtlingsdramen geht.

Wie haben Sie einander kennengelernt?

Fabian Eder: Beim Drehen vor 17 Jahren. Ich hatte eine Grundskepsis gegen Schauspielerinnen, die habe ich mittlerweile ein bisschen abgelegt.

Was hat Sie an Schauspielerinnen gestört?

Katharina Stemberger: Du dachtest, Schauspielerinnen haben einen Knall, sehen das ganze Leben als einzige Inszenierung, können ihre Rolle nach der Vorstellung nicht verlassen...


Und – ist das so?

Stemberger: Kennen wir Fälle? Wir kennen Fälle! Für dich waren das eben Geschöpfe, die irre anstrengend sind.


Was machen Sie jetzt, wenn Ihre Frau anstrengend ist?

Eder: Ich lasse sie. Ich bin grundsätzlich jemand, der versucht, alles zuzulassen. Wir haben eine 13-jährige Tochter. Ich bin auch kein strenger Vater. Das hoffe ich wenigstens.

Stemberger: Der Fabian hat eine unglaubliche Klarheit. Das ist selten, besonders bei Männern. Im Temperament sind wir vollkommen verschieden. Ich finde es immer lustig, wenn auf diesen Partnerplattformen Leute nach Leuten suchen, die ihnen ähnlich sind. Ich möchte nicht mit mir zusammen sein! Ich glaube nicht, dass es sehr viele Männer gibt, die mich aushalten würden.

Sie haben gemeinsam einen Film gemacht: „Keine Insel“ über die Boatpeople aus Afrika im Mittelmeer. Anlass war ein Unglück, bei dem im Oktober 2013 vor der Küste von Lampedusa 390 Flüchtlinge ertranken. Herr Eder, Sie fuhren mit ihrem Boot im Winter über das Mittelmeer, sprachen mit Politikern und Flüchtlingen. Wie war das?

Eder: Wir haben vor zwei Jahren, als es das große Bashing gegen die Griechen gab, erstmals einen solchen Film gemacht: „Griechenland blüht!“ Wir wollten weg von den Zahlen und zu den Menschen. Als nach dem Bootsunglück vor Lampedusa die Debatte in Europa ausbrach und die Politiker das Thema möglichst schnell verschieben wollten auf die Zeit nach der Europawahl, weil sie einen Rechtsruck befürchteten, sagten wir: „Das schauen wir uns jetzt genauer an.“ Beispiel Malta: 18.000 Menschen kamen seit 2000 nach Malta, aber nur 6000 sind dort geblieben. 12.000 sind wieder weg, sie sind nach USA, Kanada, Australien ausgewandert. Die EU hat praktisch keine Flüchtlinge aufgenommen.

Hat der Film etwas in Ihnen verändert?

Eder: Wir sind in Malta an einem Sonntagmorgen zu einem Flüchtlingscamp gefahren. Als wir hinkamen, habe ich das Auto geparkt. Als ich vom Auto wegging, habe ich mich dabei ertappt, dass ich noch einmal kontrolliert habe, ob es zugesperrt ist und ob ich meine Geldbörse gut verstaut habe. Ich habe mich so geschämt, und mein Verhalten ist mir bis heute peinlich.

Einer der Flüchtlinge in Ihrem Film sagt sinngemäß: Die Heimat ist die Heimat. Kein Mensch wandert freiwillig aus.

Stemberger: Die Wahrheit ist, dass kein Teenager freiwillig zwei Jahre lang auf dem afrikanischen Kontinent von einem Land zum anderen flieht, dann über das Meer fährt, wo er ertrinken kann, weil das so lustig ist und er unser Sozialsystem ausbeuten will.

Trotzdem lässt das Erstarken der Rechtsparteien in Europa auf starke Ressentiments gegenüber Flüchtlingen schließen.

Stemberger: Wir leben in einem der reichsten, wunderbarsten und sichersten Länder der Welt, wo es selten in der Geschichte so ruhig war wie heute. Trotzdem gibt es diesen Zulauf zu den Rechtsparteien, und die Angstmacherei funktioniert. Da wollen wir gegensteuern. Wir werden unseren neuen Film „Keine Insel“ wie „Griechenland blüht!“ auch in Brüssel vor Mitgliedern des Europäischen Parlaments zeigen.

Wie funktionierte das Projekt finanziell? Haben Sie EU-Gelder erhalten?

Stemberger: EU-Gelder haben wir keine bekommen, weil dieser Prozess zwei bis drei Jahre gedauert hätte. Ich hatte aber nur drei Wochen. Den Griechenland-Film haben wir quasi ohne Unterstützung gemacht. Als für „Keine Insel“ 7000 Euro zugesagt waren, habe ich gesagt: „Wir machen das jetzt.“ Der Fabian hat gemeint: „Bist du verrückt? Wir haben noch vom letzten Mal 30.000 Euro offen.“ Ich habe erwidert: „Stell die Crew zusammen!“ Und ich bin wie eine Rakete losgestartet und habe Geld aufgetrieben: 130.000 Euro hat „Keine Insel“ gekostet, wen es interessiert, 40.000 brauchen wir noch.

Idealismus ist eher selten heute.

Stemberger: Ich bin jetzt 45. Ich möchte meine Zeit mit Dingen verbringen, die mir das Gefühl geben, ich tue etwas, das einen Sinn hat. Ich habe zwar etwas anderes gelernt. Aber das fühlt sich gut an, gibt größere Befriedigung.

Wohin würden Sie emigrieren, flüchten?

Stemberger: Ich würde schauen, wo gibt mit meinen Fähigkeiten eine bessere Überlebenschance für meine Familie und für mich gibt. Ich war seit meinem elften Lebensjahr oft in England. Der englische Sprachraum und das Theater dort sind mir vertraut. Ich habe jetzt einen Agenten in London. Im Vienna's English Theatre habe ich letztes Jahr „Witness for the Prosecution“ („Zeugin der Anklage“) gespielt.

Eder: Ich habe über den Heimatbegriff in letzter Zeit intensiv nachgedacht. Auswandern ohne meine Frau, das würde ich nicht wollen. Wir würden zu dritt das Land verlassen.

Würden Sie im Ernstfall Österreich mit der Waffe in der Hand verteidigen?

Eder: Nein. Ich habe Zivildienst gemacht, weil ich keine Waffe in die Hand nehme. Aber ich würde mich politisch engagieren.

Stemberger: Ich hatte heuer im Jänner ein einschneidendes Erlebnis. Wir waren auf der WKR-Demo gegen den Burschenschafterball in der Hofburg. Wir sind mit Tausenden friedlich durch die Stadt gezogen. Es gab ein Riesen-Polizeiaufgebot mit Wasserwerfern. Dann stand ich auf den Stufen des Parlaments und über meinem Kopf flogen Drohnen, die uns filmten. Da habe ich mir gesagt, dass ich es mir leider nicht leisten kann, nicht politisch zu sein.

Diese Demo war nicht friedlich.

Stemberger: Ja. Eine Handvoll Wahnsinniger hat sich mit der Polizei einen Kampf geliefert. Dass 2000 Beamte nicht in der Lage waren, sie zu separieren, war erstaunlich. Was bleibt, sind die Bilder in der Presse. Das Entscheidende an diesem Abend aber war: die Abertausenden friedlichen Demonstranten, die für ein Österreich auf die Straße gegangen sind, in dem es nicht möglich sein darf, dass die extreme Rechte aus ganz Europa in der Hofburg das Tanzbein schwingt.

Eder: Wenn wir beginnen, die Flüchtlinge nach Religionszugehörigkeit einzuteilen und zu sagen, wir nehmen nur mehr Christen auf, keine Moslems, dann ist das angewandter Rassismus.

Stemberger: Ich finde, die Flüchtlingspolitik gehört nicht auf nationalstaatlicher, sondern auf Europa-Ebene behandelt. Das ist ein komplexes Thema.

Welche Projekte haben Sie als Nächstes?

Eder: Im Herbst kommt mein Roman heraus: über Waffenhandel, Schuld und die Frage, was uns andere Generationen vererben. Filme möchte ich über das Schwarze Meer, die Ukraine und über Gibraltar bzw. die spanischen Exklaven in Afrika machen.

Sie kommen beide aus berühmten Künstlerfamilien. Sie, Herr Eder, sind der Sohn der Burgschauspielerin Bibiana Zeller. Katharina Stemberger ist die Tochter des Tropenmediziners Heinrich Stemberger. Ihre Mutter Christa heiratete den Komponisten Kurt Schwertsik, bei dem Sie mit ihren Schwestern aufgewachsen sind. Wie läuft das Leben in Ihrer Patchworkfamilie?

Eder: Meine Mutter war mit dem Regisseur und Schauspieler Otto Anton Eder verheiratet, jetzt mit Eugen Stark. Sie ist wunderbar, aber ich hatte von daher eben gewisse Ressentiments gegen Liaisonen beim Film.

Stemberger: Wir hatten eine glückliche Kindheit und ein Elternhaus, das uns unterstützte. Als es um Berufswünsche ging, sagte meine Mutter: „Such dir aus, was dir den größten Spaß macht, und schau, dass du davon leben kannst.“ Ich durfte in großer Geschütztheit aufwachsen, in dem Gefühl, ich bin nicht allein, mir kann nichts passieren.

Sie unterrichten ja auch. Was geben Sie Ihren Schauspielschülern mit?

Stemberger: Schauspielerei heißt auch, die Hosen runterzulassen. Oft kommen Leute zu mir mit strahlenden Augen und sagen: „Ich will in eine andere Person schlüpfen und mich verwandeln.“ Dann sage ich: „Das tut mir leid. Darum geht es nicht, sondern darum, dass du dir selbst begegnest.“ Mich interessiert keine Technik, keine Fertigkeit. Die Schauspielerei besteht darin, dass du das ganze Spektrum der Emotionen, die du in dir hast, sichtbar machst.

Steckbrief

1963–1968
Fabian Eder wird am 1.7.1963, Katharina Stemberger am 28.12.1968 geboren.

1988
Stemberger studierte Cello, danach Schauspiel bei Eva Zilcher. Eder absolvierte die Filmakademie Wien. Er war Kameramann u.a. bei „Polt“, „Die Gottesanbeterin“, Regisseur u.a. bei „Tatort“-Folgen.

1997
Stemberger und Eder lernen einander kennen. Heirat: 2002.

2007
Das Paar gründet die Produktionsfirma Backyard, die Eders Filme und Stembergers Soloprogramme betreut, z.B. „Wie viel ist das in Schuhen?“ über eine Frau, die versucht, im Internet einen Partner und Financier ihrer Kreditkartenrechnungen zu finden.

2013/2014
Stemberger ist in der neuen „Jedermann“-Inszenierung in Salzburg als Schuldknechts Weib zu sehen. Bis Ende Mai 2014 spielt sie in „Ganymed goes Europe“ im KHM. „Keine Insel“: 18.5., 23.05 Uhr, ORF2.

Frau Stemberger, darf man Sie auch fragen . . .


1 . . . ob Sie glauben, dass man im Internet einen Partner fürs Leben finden kann?

Ich denke, dass es schwieriger ist als in der Bar, in der Arbeit oder an der Bushaltestelle. Man sieht sich ja nicht in die Augen. Und es gibt viele Nerds im Netz. Trotzdem kenne ich Menschen, die sich dort gefunden und geheiratet haben.

2 . . . ob Sie sich mit Ihrer Schwester Julia, die ebenfalls eine bekannte Schauspielerin ist, gestritten haben?
Julia und ich hatten von klein auf eine intensive Liebe, die auch sehr konfliktreich war. Je älter wir wurden, desto friedlicher wurden wir.

3 . . . ob Sie an ein Leben nach dem Tod glauben und wie das wird?
Ich glaube an die Entwicklungsfähigkeit der Menschen. Wenn man hier auf Erden ist, gilt es, etwas zu erkennen, sich weiterzuentwickeln, anders zu gehen, als man gekommen ist. Wie Sie das nennen wollen, Karma oder Religion, das ist mir wurscht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2014)

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