Ein Wohnhaus stürzte in der Wiener Mariahilfer Straße ein. Insgesamt 15 Menschen wurden geborgen. Ein 19-Jähriger starb jedoch kurz danach. Eine 48-Jährige überlebte in einem Hohlraum zwischen den Trümmern
Es war ein „großer Bumm", erzählt Law Wang. In ihrem Geschäft ein paar Häuser weiter sind alle Gläser gebrochen. Als sie kurz danach auf die Straße stürzt, ist alles voll Rauch und Staub. In der nahen Apotheke habe der Boden gewackelt, erzählt eine Passantin, ein anderer berichtet, vor dem Spar habe es die Oberleitungen heruntergerissen. Auf der Straße ein Bild wie aus dem Krieg. Eine riesige braune Wolke, gespenstische Stille. Als sich Staub und Rauch lichten, wird das Ausmaß der Explosion sichtbar.
Der Altbau in der Mariahilfer Straße 182 ist im zweiten und dritten Stock v-förmig eingestürzt, bis zur gegenüberliegenden Straßenseite liegen Ziegel und Trümmer, ein Auto wurde vom Schutt völlig eingedrückt, noch einige Häuser weiter ließ die Druckwelle die Auslagen der Geschäfte bersten.
Minuten nach der Explosion - ihre Ursache stand gestern Abend nicht fest - war die Polizei vor Ort, die Berufsrettung war mit dem Katastrophenzug ausgerückt, die Berufsfeuerwehr rief Alarmstufe drei aus und war mit 110 Mann und 35 Fahrzeugen im Einsatz. Zunächst sah es so aus, als sei der Einsturz glimpflich ausgegangen: 13 Menschen konnten rasch aus dem Gebäude geborgen werden und wurden, teils leicht verletzt, teils vorsorglich, ins Krankenhaus gebracht. Bei einem wurden später innere Verletzungen festgestellt, er ist aber außer Lebensgefahr. Als die Feuerwehr verbliebene Wände mit Holzbalken gestützt hatte und Suchmannschaften in die eingestürzten Wohnungen vordringen konnten, wurde die Suche zum Wettlauf: Nachdem die Suchhunde angeschlagen hatten, fanden Feuerwehrleute mit Schallortungsgeräten einen tief verschütteten Bewohner.
Stundenlang versuchten Rettungsteams den schwer verletzten 19-Jährigen zu stabilisieren, die Feuerwehrleute ihn zu bergen. Rund fünf Stunden nach der Explosion konnte der junge Mann geborgen werden, er verstarb aber kurz darauf noch an Ort und Stelle. Auch einer 48-jährigen Frau wurde Samstagnachmittag lange gesucht, sie konnte fast acht Stunden nach der verheerenden Explosion geborgen werden. Die Frau dürfte den Einsturz in einem Hohlraum überlebt haben und ist allem Anschein nach nicht schwer verletzt. Sie war ansprechbar. Die übrigen Bewohner wurden von der Polizei kontaktiert und befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion nicht im Haus. Ob es weitere Opfer gibt, konnte die Polizei aber nicht ausschließen.
Spekulationen über die Ursache
Trotz des tragischen Todesfalls hätte der Einsturz noch dramatischere Folgen haben können. 51 Bewohner sind in dem Haus gemeldet, sie hielten sich Samstagvormittag aber großteils nicht dort auf. Ein Feuerwehrmann sprach von einem „Riesenglück": Samstagvormittag, eine belebte Geschäftsstraße, alle paar Minuten von vollen Straßenbahnen befahren, meterweit fliegende Trümmer - das hätte viel mehr Menschen treffen können.
Über die Ursache wurde am Samstag nur spekuliert, bis sie geklärt ist, dürfte es noch dauern. Sicher sei nur, dass es sich um eine explosionsartige Druckwelle gehandelt habe, heißt es bei der Feuerwehr. Ob Gas im Spiel war, ließe sich noch nicht sagen. Am Samstag waren die Hundertschaften an Einsatzkräften von Feuerwehr, Polizei, Rettung, Wien Energie oder Baupolizei ohnehin vor allem damit beschäftigt, Verschüttete zu suchen und das Gebäude und die umliegende Gegend zu sichern. Und damit, Schaulustige fernzuhalten. Trotzdem durchbrachen Einzelne immer Absperrungen - „Manche sind zu deppert, das gibt's immer", kommentierte ein Polizist das Treiben. Vor einem Supermarkt kam es zu einem kleinen Tumult zwischen Polizei und Betrunkenen, die die Straßensperre nicht akzeptieren wollten.
Schaulustige schießen Selfies
Zwei Frauen überschritten die Absperrbänder, um, während darin nach Verschütteten gesucht wurde, vor dem Haus für Fotos zu posieren. Ein anderer beobachtete das Geschehen vom Balkon gegenüber - mit einer Dose Bier in der Hand. „Es is eh schlimm für die Leut", sagte ein Passant. „Aber i kann ja nix dafür, mi interessiert, wo i heut einkaufen gehen kann, da is ja alles gesperrt" - so kommentierte ein anderer die Lage. Bei wieder anderen beflügelt der Einsturz die Fantasie. Eine Fliegerbombe? Schließlich sei der nahe Westbahnhof im Krieg ein Ziel gewesen. Eine Rohrbombe, wie sie unlängst im dritten Bezirk gefunden wurde? Ein Crystal-Meth-Labor, das hochgegangen ist?
Während die Nachbarn wild mutmaßen, wie es zu dem Einsturz kam, könnte die Suche nach Verschütteten bis in die Nacht hinein dauern. Erst dann - und wenn geklärt ist, wie stark einsturzgefährdet das Haus ist und wenn die Ermittler der Polizei das Haus freigeben - kann mit Aufräumarbeiten begonnen werden. „Wir sind hier erst am Beginn unserer Arbeit", sagt Gerald Schimpf, Presseoffizier der Berufsfeuerwehr. Am Wochenende dürfte es jedenfalls noch zu größeren Verkehrsbehinderungen in der Äußeren Mariahilfer Straße kommen.