Vier Päpste, ein Ruf: "Viva il Papa!"

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Vier Päpste auf einen Streich: Kirchentagsatmosphäre rund um den Petersplatz bei der Heiligsprechung von Johannes Paul II. und Johannes XXIII.

Vatikanstadt. „Viva il Papa!“, rufen sie schier ohne Ende. Sie strecken sich und schwenken Fahnen. Sie stemmen sich auf den Schultern anderer hoch, um besser zu sehen. Sie recken die Fotoapparate in die Höhe, klatschen, jubeln. „Hoch lebe der Papst!“

Aber welchen meinen sie? Papa Francesco vielleicht, der sich da – sichtlich aufgetaut nach zweistündigem Gottesdienst – gerade im Papamobil den Weg durch die Menschenmassen zu bahnen versucht? Oder meinen sie den anderen, Benedikt XVI., den sie zuvor mit rauschendem Applaus gefeiert haben, als er – der nach seinem Rücktritt „der Welt verborgen bleiben“ wollte – unter den gut 150 Kardinälen auf dem Petersplatz und fortmatfüllend auf allen Großbildschirmen auftauchte?

„Viva il Papa!“ Meinen sie vielleicht die beiden, deretwegen sie eigentlich gekommen sind? Johannes Paul II. und Johannes XXIII., die an diesem Sonntag in einem historisch einzigartigen Doppelakt heiliggesprochen worden sind? Vier Päpste auf einen Streich – schon das ist spektakulär. Und während römische Wohnviertel am Sonntag wie ausgestorben wirken, bietet das Zentrum Kirchentagsatmosphäre.

Italienische Nonnen in Taubenblau und mexikanische Jungpriester mit lässig offenem Klerikerkragen haben sich vor dem Petersplatz fröhliche Singduelle geliefert. Für die Gebetsnacht von Samstag auf Sonntag – zur geistlichen Pilgerbeschäftigung – standen nahezu alle Innenstadtkirchen offen und ganz selbstverständlich kam es zu Gemeinschaftstänzen auf Piazza Navona und Nachbarschaft. Ordentliche Nachtlager gab es ohnedies zu wenige: Tausende verbrachten die Nacht am Tiberufer im Schlafsack, unter Thermofolien, ein paar Kekse zwischen und geistliche Lieder auf den Lippen.

Franziskus sachlich kühl

„Gebe der Herr, dass wir bei einem solch bedeutsamen Werk keinen Irrtum begehen.“ Papst Franziskus sagt es. Es gehört zum Ritus. Dreimal muss Kardinal Angelo Amato, der Chef der vatikanischen Heiligen-Kongregation, das Kirchenoberhaupt bitten, „die beiden Seligen Johannes XXIII. und Johannes Paul II. in das Verzeichnis der Heiligen eintragen und von allen Christen verehren zu lassen“. Zweimal muss der Papst zögern. Erst beim dritten Mal darf er „nach langer Überlegung, mehrfacher Bitte um göttliche Hilfe und gestützt von der Meinung unserer Brüder Bischöfe“ die Heiligsprechung vornehmen „zur Ehre der Heiligen Dreifaltigkeit, zum Lobpreis des katholischen Glaubens und zur Mehrung des christlichen Lebens“. Franziskus liest die lateinische Formel mit sachlicher Kühle vor, doch noch bevor er fertig ist, brandet Jubel auf.

Auf dem Petersplatz und davor, wo sich 500.000 Pilger drängen, macht sich jetzt die gewaltige polnische Mehrheit bemerkbar. Für Karol Wojtyla alias Johannes Paul II. rauscht das Weiß-Rot der Nationalfahnen über die Menge wie durch ein Fußballstadion. Und erstmals tragen die allgegenwärtigen Fernsehkameras die Szenen nicht nur in Hochauflösung, sondern sogar per 3-D-Format in alle Welt: Begeisterung zum Anfassen, Papst-Festival hautnah – aus einem inszenierungsfreundlichen Vatikan, der erst vor Kurzem die neuen technischen Möglichkeiten zur Übermittlung machtvoller Bilder erkannt hat und sie jetzt aufsaugt wie ein Schwamm.

Ein rhetorischer Husarenritt

Franziskus allerdings geht wieder einmal eigene Wege. Er wagt einen rhetorischen Husarenritt. Er bezeichnet Johannes Paul II. als „Papst der Familie“, weist gleichzeitig auf die beiden von ihm geplanten Bischofsversammlungen zur Diskussion der kirchlichen Familien- und Sexualmoral hin und rühmt Johannes Paul II. dafür, dass er immer eine „feinfühlige Folgsamkeit gegenüber dem Heiligen Geist“ bewiesen habe. Das ist keine Würdigung einer verstorbenen Person, das ist ein Auftrag an die Bischöfe – zu hören, was der Heilige Geist vielleicht heute wollen könnte.

„Mögen beide heiligen Päpste uns lehren, in das Geheimnis der göttlichen Barmherzigkeit einzudringen, die immer hofft und immer verzeiht, weil sie immer liebt“, schließt Franziskus. Formatfüllend rücken die Kameras ins Bild, wie die Kardinäle applaudieren. Nur bei Benedikt XVI. sieht man nicht, dass er die Hände bewegt.

Unter den Ehrengästen sind nicht nur 122 Regierungsdelegationen, die gekrönten Häupter aus Spanien und Belgien, der unvermeidliche Diktator aus Zimbabwe, Robert Mugabe. Gekommen ist auch Lech Walesa, einstiger Chef der polnischen Solidarnosc.

Dabei auch Floribeth Mora Diaz aus Costa Rica, die durch Johannes Paul II. auf – wie es heißt – medizinisch unerklärliche Weise von einer lebensgefährlichen Krankheit geheilt und damit zur Kronzeugin für die Heiligsprechung geworden ist. Die 51-Jährige im schwarzen Schleier trägt eine Reliquie „ihres“ Papstes zum Altar. Bevor er sich nach der Messe den Größen der Politik zuwendet, grüßt Franziskus die Frau. Und ganz am Ende kommt Floribeth Mora Diaz noch einmal ins Bild: wie sie sich, in Tränen aufgelöst, eine costaricanische Fahne vors Gesicht zieht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2014)

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