Analyse

Warum vor Italien die Flüchtlingsboote Schlange stehen und Deutschland die Bremse zieht

Afrikanische Migranten auf dem Weg nach EU-Abkommen mit Tunesien hat wenig gebracht.
Afrikanische Migranten auf dem Weg nach EU-Abkommen mit Tunesien hat wenig gebracht. APA / AFP / Fethi Belaid
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Heuer sind bereits mehr als 123.000 Migranten übers Mittelmeer nach Italien gekommen. Sie ziehen zumeist gen Norden weiter. Deutschland stoppt nun die freiwillige Aufnahme.

Sie stehen bereits Schlange. Am Mittwoch dominieren in den italienischen Medien Aufnahmen von vollbesetzten kleinen Booten, die hintereinander auf dem Wasser treibend darauf warten, an der Hafenmauer anzulegen. Wie so oft in den vergangenen Wochen wird auf Lampedusa das Wort „Rekord“ verwendet: Innerhalb von 24 Stunden waren am Dienstag mehr als 100 Boote auf der italienischen Mittelmeerinsel angekommen. Der Hotspot der Insel war mit mehr als 4000 Personen komplett überfüllt. Auch das ist keine neue Nachricht in Italien. Die Situation ist diesmal allerdings derart chaotisch, dass der Stadtrat den Ausnahmezustand ausgerufen hat.

Und dann kommen auch noch die Berichte über einen Artikel, den die Tageszeitung „Welt“ am Dienstagabend veröffentlichte: Deutschland hat die freiwillige Aufnahme von Migranten aus Italien gestoppt, heißt es darin. Ein Sprecher des Innenministeriums in Berlin hat dies am Mittwoch bestätigt. Demnach war Italien Ende August über die Maßnahme informiert worden. Die Bundesrepublik hatte sich im Juni 2022 bereiterklärt, im Rahmen des „freiwilligen Solidaritätsmechanismus“ der EU bis zu 3500 aus „besonders unter Druck stehenden südlichen EU-Außengrenzstaaten zu übernehmen“.

Insgesamt sollten 8.000 Migranten auf diese Weise aus von der Migration besonders betroffenen Staaten in andere EU-Staaten umgesiedelt werden. Die Solidaritätserklärung sei ein erster Schritt, um das neue Migrations- und Asylpaket umzusetzen, hieß es damals von Seiten der EU-Kommission. Doch genau das könnte nun wieder auf der Kippe stehen. 1.700 Menschen sind über den Solidaritätsmechanismus seit Juni 2022 von Deutschland aufgenommen worden. Realistisch betrachtet heißt das: Selbst wenn die Vereinbarung von Seiten der deutschen Innenministerin Nancy Faeser (SPD) nicht aufgekündigt worden wäre: Die Aufnahme von einer niedrigen vierstelligen Zahl von Menschen hätte die Situation in Italien nicht wahrnehmbar verändert.

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