Buch der Woche

Ich will Großmutters Geruch kaufen

Sophia Lunra Schnack übersetzt auch aus dem Französischen.
Sophia Lunra Schnack übersetzt auch aus dem Französischen.Foto: Walter Pobaschnig
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Die Kindheit birgt ihre Tücken, vor allem in der Verklärung. ­Sophia Lunra Schnack lässt in ihrem ungewöhnlichen Debütroman „feuchtes holz“ ihre Protagonistin abtauchen in ihre ­eigene und die verdrängte ­Vergangenheit ihrer Vorfahren.

Es gibt Orte, die ein Mensch in Gedanken irgendwann genauso oft besucht hat wie in der Realität. Meist sind es Plätze der Kindheit, denen, je nach persönlicher Erfahrung und äußeren Umständen, schöne oder traumatische Erinnerungen anhaften. Die 1990 geborene Sophia Lunra Schnack lässt in ihrem Debüt eine namenlose Protagonistin lange Tauchgänge in die Welt der eigenen Kindheit und die Vergangenheit von Familienmitgliedern respektive jene der Großeltern väterlicherseits und des Urgroßvaters unternehmen. Wie sie das macht, ist ebenso inhaltlich wie sprachlich ungewöhnlich.

Krachende Semmeln

Der autofiktional anmutende Text ist überwiegend in freien Versen verfasst, gelegentlich finden sich (lyrische) Prosa-Absätze. Beim Lesen fallen die Wechsel der beiden Formen, die oft mitten im Satz geschehen, bald nicht mehr auf, obwohl die Verszeilen durchgehend kleingeschrieben sind.

Im ersten von vier Teilen, der den Titel „einlaufen“ trägt, nähert sich die Protagonistin langsam der Landschaft und dem Haus der Großeltern. Die Erzählstimme spricht sich selbst mit „du“ an („aufgehängt an einem fixen bild / dein alter wie stehen / geblieben“), ein Kniff, der zur Identifikation verleitet. Verstärkt wird das noch durch zahlreiche Sinneseindrücke wie den „geruch nach handtüchern der großmutter“, „krachende semmeln“, das „klopfen von rasenmähern“. Man findet sich in einer rustikalen Szenerie wieder, die bald schon geografisch verortet wird. Die Traun, der Dachstein, die Trisselwand und der Loser rücken ins Bild. Wenn vom „See“ die Rede ist, kann es wohl nur der Altausseer See sein.

Belasteter Urgroßvater

Die bittersüßen Kindheitserinnerungen unter den Wänden des Toten Gebirges vermitteln in erster Linie Obhut, und als man sich nach etwa 30 Seiten fragt, was wohl auf den nächsten knapp 300 geschehen wird, lässt Schnack die Idylle bröckeln. „stickige verstrickungen“ ist das Kapitel überschrieben, in dem es darum geht, wie der Urgroßvater in Kriegszeiten an sein Heim kam, ein Bauernhaus. Rundherum wurden jüdische Bewohner:innen enteignet, auch er bekam eines ihrer Häuser angeboten, soll angeblich abgelehnt haben. Das Salzkammergut, es ist nicht nur eine malerische Kulturlandschaft, sondern auch eine historisch schwer belastete Gegend, „die ideale Kulisse für Volkstum und Heimattreue“.

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