Blick über Teheran.
Ein Jahr Proteste

Die schleichende Revolution im Iran

Seit dem Tod der jungen Frau Mahsa Amini in Polizeigewahrsam sind die Gräben zwischen Regime und Volk noch tiefer geworden. Sie sind nicht mehr zu überwinden.

Istanbul/Teheran/Wien. Vor einem Jahr, am 16. September, verstarb die junge Kurdin Mahsa Jina Amini gewaltsam in Polizeigewahrsam. Ihr Tod hatte die schwersten Proteste in der Geschichte der Islamischen Republik ausgelöst. Zum Todestag befürchtet die Führung in Teheran neue Unruhen, verstärkt die Polizeipräsenz in den großen Städten und lässt Aktivisten festnehmen, darunter einen Onkel von Mahsa Amini. Doch das Regime kann weder Aminis Familie noch die Protestbewegung aufhalten: Das vergangene Jahr hat aus dem Iran ein anderes Land gemacht. Die Brüche sind tief und an mehreren Schnittstellen sichtbar.

(1) Frauen

Die größte Veränderung zeigt sich im Alltag. Hunderttausende iranische Frauen gehen ohne Kopftuch auf die Straße und verstoßen damit bewusst gegen die gesetzliche Verhüllungspflicht, Demonstranten verschicken in sozialen Medien Videos mit dem Lied „Roosarito – Nimm dein Kopftuch ab“. Bereits seit Beginn der Protestbewegung wurde die aus dem kurdischen entlehnte Kampfparole „Frauen – Leben – Freiheit“ ausgerufen, sie hat nach wie vor Gültigkeit. „Die Frauen haben kollektiv zurückgeschlagen und sagen: ,Genug ist genug‘“, fasst Negar Mortazavi zusammen, politische Analystin am Center for International Policy in Washington D.C. Das Regime hat zunächst mit einer Scheinmaßnahme reagiert und die Auflösung der Sittenpolizei verkündet. Die ist jedoch längst wieder zurück, zudem sind neue Strafen bei Verstößen gegen die Kopftuchpflicht geplant.

Eine junge Frau im Iran trotzt den Bekleidungsvorschriften. Die Aufnahme von Ahmad Halabisaz kam in die engere Auswahl der World Press Photo Awards.
Eine junge Frau im Iran trotzt den Bekleidungsvorschriften. Die Aufnahme von Ahmad Halabisaz kam in die engere Auswahl der World Press Photo Awards.Ahmad Halabisaz

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