„Schulterschluss“ von FPÖ und AfD

Kickl-Weidel-Treffen in Wien: FPÖ und AfD als die „wahren Verfassungsschützer“

Herbert Kickl bei seinem Besuch in Berlin mit AfD-Fraktionschefin Alice Weidel. Sie ist derzeit auf Gegenbesuch in Wien.
Herbert Kickl bei seinem Besuch in Berlin mit AfD-Fraktionschefin Alice Weidel. Sie ist derzeit auf Gegenbesuch in Wien.APA/dpa/Carsten Koall
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Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz wetterten FPÖ-Chef Kickl und AfD-Chefin Weidel gegen ihre jeweils „unfähigen Regierungen“. Zuvor taten sie das schon in einem Doppelinterview - nicht zufällig im Onlinesender „Auf1“: Das rechtspopulistische Propagandamedium will gerade den deutschen Markt erobern.

Es sei eine doppelte Premiere, freute sich Stefan Magnet, Gründer und Chefredakteur von „Auf1“ in seinem Studio, das sich auf den ersten Blick kaum von einem herkömmlichen Nachrichtensender unterscheidet: FPÖ-Chef Herbert Kickl und sein prominenter Gast, AfD-Chefin Alice Weidel, gaben dort am Montag ihr erstes gemeinsames Doppelinterview - ganz exklusiv. Allerdings: „Auf1“ verbreitet offen rassistische Verschwörungsmythen. In Newslettern wird gegen die Bundesregierung und die Mainstreammedien gewettert und ein nicht näher definierter „Systemwechsel“ gefordert. Dabei hat der Sender eine Schnittmenge mit dem Rechts-außen-Magazin „Wochenblick“ und dem rechtsextremen „Info-Direkt“: Chefredakteur Magnet ist tief in der rechtsextremen Szene verankert. Er war Mitglied des neonazistischen Bundes freier Jugend (BfJ).

Hintergrund der Medienoffensive ist Weidels laufende Österreichtour: Sie ist derzeit zu Besuch bei Kickl in Wien. Am Dienstagvormittag gab sie mit ihm eine gemeinsame Pressekonferenz im FPÖ-Klub. Dienstagabend wird sie im FPÖ-Bildungsinstitut referieren.

Thema der gemeinsamen Auftritte: Frontalangriffe gegen die jeweiligen „unfähigen“ Regierungen, die „das Land an die Wand fahren“ (Weidel). Sie machten „Politik gegen die eigene Bevölkerung“. Österreich und Deutschland seien die „Hotspots“ der „Negativentwicklung“.

Klima, Asyl und Verfassungsschutz

Vor allem die Klimapolitik wurde von Weidel unter Beschuss genommen. Das neue Gebäudeenergiegesetz in Deutschland taufte sie in „Heizungsmassakergesetz“ um, das einen historischen „Raubfeldzug gegen die eigene Bevölkerung“ darstelle. Kickl verglich die Energiewende gleich mit der Wiederkehr des Kommunismus. 

Beim Asylthema redete sich Weidel weiter in Rage: Die europäische Bevölkerung werde „belogen und betrogen“, eine Sicherung der europäischen Außengrenzen werde nur vorgetäuscht. Sie forderte eine umfassende Sicherung der deutschen Grenzen. „Wir werden keinen Asylantrag mehr annehmen“, versprach unterdessen Kickl in Anlehnung an seine bekannte Forderung nach einer „Festung Österreich“. 

Auch der Verfassungsschutz war Thema: Während die AfD vom Verfassungsschutz beobachtet wird, sagte Weidel in Wien, dass in Wirklichkeit die FPÖ und ihre Partei zum Schutze der Verfassung arbeiteten. So seien sie die einzigen Parteien, die die „Verbrechen an der Bevölkerung“ in der Pandemie aufarbeiten wollten. Gemeint sind die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus. Kickl kündigte eine „Abrechnung mit der Sozialdemokratie“ an, denn ohne ihre „Beitragstäterschaft“ wären „diese Grausligkeiten“ nicht möglich gewesen. 

Konkret wurden sie dabei aber nicht: Der Frage etwa nach Grenzkontrollen zu Italien wichen beide aus, wohl auch um ihren Parteifreund Matteo Salvini nicht zu ärgern.

Doppelinterview leitet „Schulterschluss“ ein

Der Pressekonferenz vorangegangen war das exklusive Interview auf „Auf1“. Das Gespräch ohne „lästige Zwischenfragen eines Moderators“, wie Moderator Stefan Magnet darin betont, lieferte dieselben Slogans wie der Medientermin im Klub. Man wetterte gegen die „schlechteste Regierung, die es je gab“ (Kickl), die sich „alle anderen Parteien mitsamt des Bundespräsidenten einverleibt“ habe.

Damit feiern beide ihren Erfolgslauf: Die Kickl-FPÖ führt Umfragen mit teils um die 30 Prozent an, Weidels AfD steht bei 20. Während die FPÖ das Spiel mit dem schnellen Rollenwechseln zwischen Populismus-Propaganda in der Opposition und Regierungsverantwortung seit Jahrzehnten betreibt, ohne nachhaltig Schaden zu nehmen, befindet sich Weidel zehn Jahre nach der Gründung der AfD noch eher am Beginn dieser Strategie. Doch auch für sie kündigt sich eine Erfolgsgeschichte an, die in Deutschland von Kommentatoren mit Entsetzen verfolgt wird: Die „Brandmauer“ zur AfD der anderen Parteien, allen voran der CDU, bröckelt, zuletzt etwa in Thüringen, wo im Landtag eine Steuersenkung mithilfe der AfD zustande kam.

Verschwörungsmedium mit Sitz in Oberösterreich

Dass sich Kickl und Weidel „Auf1“ als exklusiven Schauplatz der Medienoffensive ausgesucht haben, ist kein Zufall: Magnet will in den Millionenmarkt Deutschland einsteigen. Seit Anfang September ist der Sender via Satellit im deutschen Rundfunk zu empfangen. Zuvor gab es in Berlin bereits einen Ableger. Eine Initiative der progressiven Bürgerinitiative „Campact“ startete inzwischen eine Petition, um den Sender verbieten zu lassen („Stoppt AUF1: Rechten TV-Sender abschalten”).

Seine Inhalte auf „Auf1“ wirken wertig produziert, finden in einem professionellen Setting statt, die Aufmachung der Website unterscheidet sich kaum von anderen privaten Medien. Wiederholte Anfragen der „Presse“ zur Finanzierung der Plattform blieben bislang unbeantwortet. In seinen Newslettern wirbt Magnet um Spenden, im Online-Shop sind Armbänder, homöopathische Arzneien und Merchandising erhältlich. Auf der Website findet sich eine Kontonummer, Sitz des Unterstützervereins ist das oberösterreichische Neuzeug (Bezirk Steyr-Land).

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