Die Ich-Pleite

Eine Influencer-Krankheit, nicht Influenza

Carolina Frank
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Viele Followerinnen lassen sich vom Mogel-Selfie-Virus ihrer Influencerinnen anstecken.

Es gibt ja immer alles nebeneinander. Das hat schon Ernst Bloch gesagt. Während die einen, meist ältere Menschen, unter Influenza noch eine ansteckende Krankheit verstehen, verstehen die anderen, meist ­Jüngeren, nur mehr Influencer – und meinen damit Menschen, die sich ihr Geld mit der Beeinflussung anderer im Internet verdienen. Das machen sie, indem sie sich zum Beispiel vor laufender Handykamera die Haare schneiden, die Augenbrauen zupfen, Cupcakes backen, ihr Kinderzimmer aufräumen, Zeug wegwerfen oder shoppen gehen. Und ihre Fans machen es ihnen nach.

Das soll der neue Traumberuf vieler junger Menschen sein. Kein Wunder, denn ich habe von einer 13-Jährigen gelesen, die 25.000 $ verdient, indem sie anderen 13-Jährigen zeigt, wie man sich zum Beispiel auf Jennifer Lawrence oder Taylor Swift schminkt. Da würde ich auch keine Mathe-Hausübung mehr machen, damit etwas aus mir wird. Aber als Influencerin muss man natürlich auch etwas können. Sich selbst fotografieren in erster Linie. Und dann all die Fotofilter anwenden, mit denen man sich nicht nur ein bisschen ­Wangenfarbe oder Lippenfarbe dazumogeln kann, sondern ein bisschen Wangen und Lippen gleich mit. Und ihre Followerinnen lassen sich vom Mogel-Selfie-Virus ihrer Influencerinnen anstecken. Sodass bald alle genauso aussehen, wie die Influencerin – eigentlich auch nicht aussieht.

Das Problem beim Selbstbetrug ist nur: Er fällt wieder auf einen zurück. Sodass jetzt ein Drittel der tiktokenden oder snapchattenden Kinder so aussehen will wie ihre eigene ­Influencerin-Kopie, von der sie ­wissen, dass sie gefakt ist. Es ist eine neue Krankheit. Sie heißt Snapchat-Dismorphophobie. Ich finde, man könnte auch Influenca dazu sagen.

(Die Presse Schaufenster, 14.9.2023)

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