Filme, Serien und Romane

Schwule Liebesgeschichten boomen – vor allem bei Frauen

Der „First Son“ und der britische Prinz verlieben sich in „Red, White & Royal Blue“: Die Verfilmung des Bestsellers ist auf Amazon Prime zu sehen.
Der „First Son“ und der britische Prinz verlieben sich in „Red, White & Royal Blue“: Die Verfilmung des Bestsellers ist auf Amazon Prime zu sehen.Amazon/Jonathan Prime
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Von »Call Me By Your Name« bis »Heartstopper«: Einige der schönsten Romanzen der letzten Jahre in Film, Serien und Literatur spielten sich zwischen Männern ab. Vermarktet werden sie vor allem für Frauen. Was reizt diese so an den Darstellungen von schwulen Beziehungen und Sex?

Zugegeben: Das Phänomen ist nicht ganz neu. Die US-Philosophin Martha Nussbaum schwärmte schon 1997, dass die Art, wie in Platons „Phaidros“ das Begehren zwischen Männern dargestellt wird, das verlockendste Modell der Liebe sei, von dem sie je gelesen habe. Und George R. R. Martin erzählte schon 2014, dass ihn Leserinnen angeschrieben und gefleht hätten, er möge in seine „Game of Thrones“-Buchreihe mehr schwule Sexszenen einbauen.

Die (weibliche) Nachfrage nach schwulen Romanzen mag schon lang dagewesen sein. Gerade wird sie gestillt wie nie zuvor. Im Serienbereich (etwa mit Jugendserien wie „Heartstopper“ und „Young Royals“), im Film („Red, White & Royal Blue“) und in der Literatur, wo viele Verfilmungen ihren Ausgang haben: So soll demnächst auch Adam Silveras Bestseller „Am Ende sterben wir sowieso“ (They Both Die at the End) über zwei junge Männer, die einander am letzten Tag ihres Lebens lieben lernen, als Netflix-Serie herauskommen, kreiert vom „Bridgerton“-Macher Chris Van Dusen.

Hashtag #MMromance. In den USA hat sich der Verkauf queerer Liebesgeschichten laut NPD Bookscan innerhalb weniger Jahre vervielfacht. Die Romanvorlage zu „Red, White & Royal Blue“ von Casey McQuiston, in der der britische Thronfolger und der Sohn der amerikanischen Präsidentin sich ineinander verlieben, wurde 2019 mit 15.000 Stück aufgelegt – und knackte längst die Millionenmarke. Und auch wenn die derzeitige Fülle queerer Romanzen dafür gerühmt wird, LGBTQ-Jugendlichen Identifikationsflächen zu bieten, so deutet einiges darauf hin, dass es vor allem (Hetero-)Frauen sind, die sich den Geschichten hingeben.

Harry Styles als schwuler Polizist. Das lässt sich etwa an den Onlinekommentaren bei Buchhändlern und in Literaturforen ablesen. Überhaupt ist der Markt der Liebesromane von Leserinnen bestimmt. Für die Schilderungen romantischer und erotischer Beziehungen zwischen Männern scheinen sich dabei immer mehr zu begeistern. Das Phänomen #MMromance (für male-male, also Mann-Mann-Beziehungen) fiel schon auf Fan-Fiction-Seiten auf, wo Hobbyautorinnen etwa Harry Potter und seinen Erzfeind Draco literarisch zu „Drarry“ verkuppelten. Auf TikTok präsentieren Leserinnen stolz ihre „favourite MM books“ – oder gleich ganze Regale voll damit. Und der Verdacht liegt nahe, dass Popstar Harry Styles, als er im Vorjahr in „Der Liebhaber meines Mannes“ (My Policeman) einen schwulen Polizisten spielte, damit vor allem seine weiblichen Fans bediente.

Harry Styles in „Der Liebhaber meines Mannes“
Harry Styles in „Der Liebhaber meines Mannes“IMAGO/Amazon Studios

Auch hinter den Büchern stecken oft Autorinnen, was mitunter für Kritik sorgt: Sie würden sich schwule Figuren „aneignen“ und queere Liebe durch eine heterosexuelle Linse filtern, lautet ein Vorwurf. Das Ergebnis seien oft verklärte und fetischisierte Darstellungen, in denen die Figuren wahlweise das Klischee des sexhungrigen oder des „weicheren“, Gefühle zulassenden homosexuellen Mannes erfüllen müssen.

Doch was macht diese Geschichten überhaupt so reizvoll? Ist es, dass hier utopische Verbindungen dargestellt werden, in denen zwei Kameraden „auf Augenhöhe“ zueinander finden können, frei von Machtgefällen und patriarchalen Strukturen? Wohl kaum: Machtdynamiken gibt es in jeder Beziehung, unabhängig von der Geschlechter­konstellation. „Call me by your name“, eine als Roman wie auch als Film feinfühlige Erzählung über junges, zwischenmännliches Begehren, zeigt das schön: Da hat der 24-jährige Uni-Assistent Oliver durchwegs die Kontrolle, auch wenn der 17-jährige Professorensohn Elio glaubt, den ersten Schritt zu machen.

Armie Hammer und Timothée Chalamet in „Call Me By Your Name“
Armie Hammer und Timothée Chalamet in „Call Me By Your Name“Imago/FRENESY FILM COMPANY

Wer penetriert wen? Es ist nicht eine Annäherung von Gleichgestellten, die hier so in ihren Bann zieht, sondern die zarte Art, wie sie erforscht wird. Was für viele queere Romanzen gilt: Während Hetero-Geschichten oft nach eingefahrenen Mustern und Rollenbildern erzählt werden, wird die Dynamik hier oft erst verhandelt, in einem Prozess voller Kommunikation, Verletzlichkeit und prickelnder Neugier. Und das betrifft nicht nur die Frage, wer beim Sex zwischen Männern jetzt wen penetriert.

Natürlich dürften all diese schwulen Romanzen bei vielen heterosexuellen Leserinnen wohl auch voyeuristische Fantasien bedienen. Sie kommen auf ihre Rechnung: Die Schilderung attraktiver Männerkörper – und ihrer Vereinigung – nimmt oft großen Raum ein.

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