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Kaffeesud-Interpretationen

Orakel. Kaffee trinken und aus dem Satz in der Tasse die Zukunft herauslesen, ein Spiel für den, der‘s glaubt.
Orakel. Kaffee trinken und aus dem Satz in der Tasse die Zukunft herauslesen, ein Spiel für den, der‘s glaubt.Reuters/Brendan McDermid
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Nur Kaffeesudleserei? Über die Reiseleiterin Fatima und ihren wahrsagenden Driver.

Das Lesen im Kaffeesud (hochdeutsch Kaffeesatz) ist in vielen südlichen, östlichen und orientalischen Ländern eine beliebte Beschäftigung. Von der Stadt Mocha im Jemen aus verbreitete sich diese Fertigkeit ab dem 14. Jahrhundert in der Großregion. Es gibt erfolgreiche Magier und Wahrsager, doch Wikipedia versichert, dass „die Wirksamkeit dieser Methode nie wissenschaftlich nachgewiesen“ wurde. Das macht nichts, auch sämtliche andere Methoden der Zukunftsforschung sind bekanntlich unseriös.

Die Reiseleiterin Fatima erzählte mir, dass sie immer wieder Gäste hatte, die, angestachelt von irgendeinem Reise führer, ihrem Wunsch Ausdruck gaben, anhand der Reste in ihren Mokkatassen die Zukunft vorhergesagt zu kriegen. Sie beherrschte diese Kunst nicht, und sie kannte auch niemanden, der das tat. Aus einer Laune heraus sagte sie eines Tages einer neugierigen Touristin: „Da müssen Sie unseren Driver fragen, er ist Experte für Kaffeesud-Interpretationen!“

Driver Ibrahim war konsterniert, als er gebeten wurde, die Zukunft der Dame vorauszusagen. „Spinnst du, Fatima? Ich hab keine Ahnung von dem Zeugs.“ „Ich noch weniger“, entgegnete Fatima, „versuch es einfach!“ So beugte sich Ibrahim mit gerunzelter Stirn über den Kaffeesud und sprach mit sonorer Stimme: „Auffällig sind diese Ränder - Sie werden in eine tiefe Schlucht hinabsteigen - dort wird ein Mann auf Sie warten. Sehen Sie die Figur?“

Die Dame war total entzückt. Danach musste Ibrahim der halben Gruppe die Zukunft prophezeien. Er hatte gute Ideen: „Da, ein offenes Auge! Sie werden beobachtet!“ Bei Gebirgen ging es bergauf, Türme interpretierte er als Wegweiser. Oft, erzählt Fatima, bilde sich im Sud ein Herz, ein Kreuz oder gar ein Totenschädel.

Seit damals verdient Ibrahim ein Zugeld als Wahrsager. Manchmal testet er nur die Grenzen des Gästehumors aus. „Sehen Sie dieses Rechteck? Es könnte Ihr Reisepass sein, den Sie im Hotel vergessen!“ oder: „Unruhige Zacken und Äderchen. Vermutlich ein hartnäckiger Schluckauf, der Sie befällt, wenn Sie dem Driver für seine Wahrsagerei kein Extra-Trinkgeld geben!“

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