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Fluorwachs-Verbot: Disqualifikations- und Sabotage-Angst geht im Skizirkus um

Roswitha Stadlober
Roswitha StadloberGEPA pictures / Manfred Binder
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Roswitha Stadlober, Chefin des Skiverbandes, warnt vor der „Gefahr, dass Unschuldige zu Schuldigen werden“, denn falsche Messergebnisse könnten den Weltcup-Auftakt überschatten. Der Weltverband FIS sei bisher wichtige Informationen schuldig geblieben.

Skiverbands-Präsidentin Roswitha Stadlober sieht die Integrität des Sports in Gefahr. Das FIS-Verbot von fluorhaltigen Wachsen sorgt wenige Wochen vor den Winter-Openings im Weltcup für Beunruhigung in der Szene. „Ich befürchte, dass es aufgrund von Messfehlern zu Disqualifikationen kommen wird. Es gibt die Gefahr, dass Unschuldige zu Schuldigen werden“, warnt Stadlober.

Michael Gufler, der Bereichsleiter Technologie im ÖSV, sah zuletzt oft Rot. Das vom Weltverband FIS mitentwickelte und vorgegebene Einheitsgerät spuckt ihm zufolge ohne nachvollziehbare Gründe statt des grünen mitunter ein rotes Licht aus. Damit sollen eigentlich Fluor-Rückstände im Wachs signalisiert - und Athleten künftig sanktioniert werden. „Unsere Messungen haben ergeben, dass nicht-fluorierte Ski beim Messsystem zufällig anschlagen können“, schlägt Gufler Alarm. „Die Kollegen aus der Schweiz und Deutschland können das bestätigen.“

Gemeinsam mit den benachbarten Verbänden begab man sich auf Ursachenforschung. Ein Fragebogen an die FIS wurde versandt. „Die Antworten waren für uns nicht zufriedenstellend“, sagte Gufler zur APA - Austria Presse Agentur. Von einem wasserdichten Prozedere könne keine Rede sein. „Wir brauchen Spezifizierungen, was das Regelwerk und das Prozedere bei den verschiedenen Disziplinen angeht. Es gibt auch keine Info, wie die Vorgehensweise bei Disqualifikationen aussieht. Stand jetzt gibt es keine Möglichkeit, einen Protest einzureichen.“

Deshalb dürfte bei der FIS-Herbstsitzung kommende Woche in Zürich heftig protestiert und die Forderung nach Klarstellung oder einer Aufschiebung der neuen Regeln laut werden. „Wir fühlen uns im luftleeren Raum stehengelassen“, moniert Gufler, der den selbstständig operierenden Biathlon-Verband IBU von der Kritik ausnimmt. Hier finde ein offener Austausch statt, zudem habe die IBU Szenarien entwickelt, wie die Möglichkeit von Verwarnungen. Wohl um Messfehler abzufedern.

Dass die Fluor-Wachse nach langem Hin und Her nun endgültig für alle Disziplinen der FIS und IBU verboten wurden, sei grundsätzlich zu begrüßen, hält man im ÖSV fest. Gewisse Fluorverbindungen (C8) stehen in Verdacht, krebserregend zu sein und sind in der Natur nicht abbaubar.

Ihre Künste haben die Wachsler laut Gufler bereits wieder perfektioniert. „Wir glauben zu wissen, wie die Ski fluorfrei zu präparieren sind.“ Nachdem die Geräte im Einsatz waren, passiere aber manchmal etwas, „das wir nicht im Griff haben“, so Gufler. Er befürchtet Kontamination durch alte Fluor-Bestände im Boden oder etwa bleibende geringe Verunreinigungen bei alten Rennski. „Wenn da einmal Fluor gewesen ist, kriegt man es fast nicht mehr aus der Umwelt.“

Gemessen wird mittels Infrarot-Spektroskopie. Das heißt, es wird ein Lichtstrahl auf den Skibelag geschossen. Das reflektierte Licht wird analysiert und aufgrund der Wellenlängen lässt sich auf die Substanzen schließen. Über die hinter dem Gerät stehenden Software-Parameter wissen die Verbände nichts. „Im Endeffekt ist das für uns eine Blackbox, die FIS gibt keine Informationen darüber heraus, was im Hintergrund passiert.“ Man bekomme einfach ein Ergebnis ausgespuckt, das sich bei Laborbedingungen schon einmal um bis zu 0,7 vom Vorergebnis unterschied, so Gufler. Erlaubt ist ein Wert zwischen 0 und 1, bei Überschreiten droht Disqualifikation.

Schon geringe Mengen an Fluor bringen einen Wettbewerbsvorteil. Dementsprechend ist der Schwellwert des Geräts sehr niedrig angesetzt. „Die Fehlertoleranz der Messmaschine ist im Verhältnis zum Schwellwert einfach zu hoch. Es stößt an seine physikalischen Grenzen“, sagte Gufler. Dabei sind die Kosten beträchtlich. Ein Gerät inklusive Software kostet den ÖSV, der mehrere anschaffen musste, etwa 30.000 Euro.

So oder so sieht der „Head of Ski Austria Technology“ eine Zäsur im Schneesport, zumindest was den Wachssektor angeht. „Hier stellt das Fluorverbot die Uhr komplett auf null. Alte Produkte sind nicht mehr verwendbar, die Karten werden komplett neu gemischt.“ Gufler hält größere Zeitunterschiede in den ersten Saisonrennen für denkbar. „Weil Fluorwachse den schlechten Ski oder eine schlechte Struktur besser ausgleichen konnten. Und finanzkräftige Nationen wohl gerade zu Beginn einen Vorsprung gegenüber kleineren Nationen haben werden.“ Österreich Skiverband schickt seine Ski-Tester heuer etwa zwei Wochen früher als sonst in den Norden.

Dass das Verbot nicht nur auf Weltcup-Ebene, sondern auf allen FIS-Leveln gilt, lässt den 31-jährigen Gufler nur den Kopf schütteln. „Da gibt es dann eine Regel, die aus logistischen Gründen de facto nicht kontrolliert werden kann. Nicht nachweisbaren Umgehungsversuchen sind so Tür und Tor geöffnet.“

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