UN-Sicherheitsrat

Armenien wirft Aserbaidschan „ethnische Säuberungen“ vor

Zivilisten verlassen Berg-Karabach.
Zivilisten verlassen Berg-Karabach. Imago / Russian Defence Ministry
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Armeniens Außenminister Mirzoyan prangerte in New York „Grausamkeit der Offensive“ an.

Armenien hat Aserbaidschan im Konflikt um Berg-Karabach vorgeworfen, mit „ethnischen Säuberungen“ gegen die armenische Bevölkerung vorzugehen. „Die Intensität und Grausamkeit der Offensive macht deutlich, dass die Absicht darin besteht, die ethnische Säuberung der armenischen Bevölkerung von Berg-Karabach abzuschließen“, warf der armenische Außenminister Ararat Mirzoyan der Regierung in Baku am Donnerstag in einer Dringlichkeitssitzung des UNO-Sicherheitsrates vor.

Laut Mirzoyan gab es bisher mehr als 200 Tote und 400 Verwundete, darunter Zivilisten, Frauen und Kinder. Mehr als 10.000 Menschen seien gewaltsam vertrieben worden, darunter Frauen, Kinder und ältere Menschen, die ohne Nahrung und andere Lebensmittel im Freien leben müssten. Tausende Familien seien getrennt worden. Die Lage sei seit längerem alarmierend gewesen. Die internationale Gemeinschaft habe sich aber geweigert, die Alarmzeichen ernst genug zu nehmen.

Der UNO-Sicherheitsrat habe in der Vergangenheit nicht angemessen reagiert, beklagte der armenische Minister - nun müsse er endlich handeln. „Die Rechte und die Sicherheit des armenischen Volkes von Berg-Karabach müssen angemessen berücksichtigt und international garantiert werden“, verlangte Mirzoyan bei der Sitzung in New York.

Kein Strom, Mangel an Nahrungsmittel

Die Lage in Berg-Karabach spitzt sich tatsächlich weiter zu: Die Menschen suchen Schutz in Schulen, Kirchen, Kellern und bei den russischen Friedenssoldaten: Mittlerweile sind in der Berg-Karabach-Hauptstadt Stepanakert mehrere tausend Vertriebene aus verschiedenen Regionen der Gebirgsprovinz eingetroffen. Sie können nur mit dem Notwendigsten versorgt werden, da es in dem belagerten Gebiet an Nahrungsmitteln mangelt. Das Stromnetz funktioniert nicht, die Menschen laden ihre Mobiltelefone an Generatoren auf. Viele suchen ihre Angehörigen, die nach der eintägigen aserbaidschanischen Offensive vom Dienstag vermisst werden. Laut Augenzeugenberichten sind viele Menschen verzweifelt, da sie nicht wissen, was sie nun erwartet. Die Angst vor dem Vorrücken der aserbaidschanischen Armee sowie Vergeltungsmaßnahmen ist groß.

Militärisch ist die Lage in Berg-Karabach am Tag nach der Ausrufung des Waffenstillstandes uneindeutig. Baku soll mehrere Ortschaften umzingelt halten und weiter vorstoßen. Einige Einheiten der Karabach-Armee weigern sich offenbar, die Waffen niederzulegen. Die armenisch-aserbaidschanischen Gespräche über die Entwaffnung und humanitäre Fragen gingen am Donnerstag zu Ende; konkrete Ergebnisse gab es nicht.

Gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters sagte ein Karabach-Vertreter, dass „viele Fragen und Themen noch erörtern werden müssen“. Es gebe noch keinen Deal. Stepanakert verlangt Sicherheitsgarantien für die Zivilbevölkerung. Es seien unter anderem „Fragen der Wiedereingliederung der armenischen Bevölkerung Karabachs“ besprochen worden, teilte die Präsidialverwaltung des autoritär geführten Aserbaidschans  mit. In Kürze solle es ein weiteres Treffen geben.

Alijew entschuldigt sich bei Putin

Der aserbaidschanische Machthaber Ilham Alijew hat sich indes für den tödlichen Beschuss eines Autos russischer Friedenssoldaten entschuldigt. Bei dem Vorfall kamen mehrere Russen ums Leben. Ihre Familien sollen angemessen entschädigt werden, sagte Alijew gegenüber dem Kreml. Putin mahnte Alijew, bei der Machtübernahme von Berg-Karabach die Sicherheit der armenischen Zivilisten zu gewährleisten. (ag./som)

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