Der Spectrum-Roman in Serie

Lieferdienst Wien: Weiße Pferde

Teil 35 von 52

… was bisher geschah: Nach der Nacht kommt der Morgen, das hat immer noch gegolten. Bis es einmal nicht mehr gilt. Aber so weit sind wir noch nicht. Der ­Lieferdienst Wien kann frisch in den Tag ­starten!

Die Nacht hat ihre opake Decke über das Treiben der Menschen gelegt, nur Ali und seine Frau wissen um die Geheimnisse ihrer Ehe. Nur die WG-Kollegen Hanna, Ellis und Moritz haben den Eintopf aus Bohnen, Dosenmais und Reis zu verdauen. Nur Byamba träumt von der Mongolei und reitet auf Pferden, die in den gegenwärtigen Träumen nun Autos sind oder Fahrräder oder die Eisenbahn oder das Flugzeug, mit dem er vor wenigen Jahren nach Wien gekommen ist. Herr Stefanov ist allein nach Hause gewandert, die Kellnerin hat sich von Taxler Manfred heimbringen lassen und sich mit einem freundschaftlichen Bussi rasch verabschiedet.

Boss Anis schlägt den Laptop zu und wieder auf. Die Uhr zeigt Mitternacht. Ist es noch heute oder bereits morgen? Kann er schlafen gehen, sein Business aus den Augen lassen? Oder soll er die Gunst der frühen Stunde nutzen zur Kundenakquise, für all die Nachteulen und Frühaufsteherinnen? Die Pflegekräfte vom AKH, was frühstücken eigentlich die? Und die Müllmänner der MA 48? Die Moderatorin aus dem Frühstücksradio? Der kleine Noah aus dem 16. Bezirk isst Brot mit Butter, Obst und trinkt eine Tasse Kakao. Dann geht es in den Kindergarten, was eben die Aufgabe der Kinder ist. Die Kleinen sind, gemessen an ihren Erfahrungen und Möglichkeiten, dort so gefordert wie ein Erwachsener an einem Tag im Büro.

Ellis wacht früh auf und kann nicht wieder einschlafen. Wenn sie sich gleich auf den Weg macht, kann sie noch eine Vorlesung an der Uni hören und danach die neue Schicht beim Lieferdienst Wien beginnen. Wenn sie ab nun jeden Tag zeitig aufsteht, ist beides zu machen. Sie kann ihr Studium fortsetzen und in Mindestzeit die Waren ausliefern. Ellis zieht sich an, putzt sich die Zähne und klopft bei Hanna. Hanna antwortet nicht. Ellis wartet. Nach einiger Zeit öffnet sie die Tür zu Hannas Zimmer und sieht, dass ihr Bett leer ist.

Ali nimmt Schachteln voll Simit von der Auslieferung des türkischen Bäckers in Empfang. Frisches Bakhlava und warme Fladenbrote in großen Mengen. Kleine süße Brötchen, mit Mandeln verziert, und Croissants. Die Croissants schmecken nicht besonders, aber die Sesamringe sind herrlich weich und knusprig, salzig und süß. Ali denkt an die letzte Nacht. Es war schön, bis seine Frau Sem Eisinger, den letzten Gewinner von „Deutschland sucht den Superstar“ gespielt hat und ihren Blick gar nicht mehr abwenden konnte von den Grübchen in den Wangen des Schmusesängers. „Rodeo Love“, was soll das überhaupt sein? Ali hat nachgefragt, ob seine Frau sich nach Cowboys und Lassos sehnt. Seit dem Morgen nun sitzt sie mit versteinerter Miene an der Kassa und bedient die Kunden mit größtem Widerwillen. Ali ist jetzt auch sauer und hält das Lasso heute für eine brauchbare Option. Spielerisch, nicht bös’ gemeint!

Der Ritter vom Tabor besitzt kein Pferd, aber ein flinkes Fixie-Bike, das er Rosi-Tante nennt. Wer darin eine Anspielung erkennt, bekommt eine Packung Kaugummi von ihm geschenkt. In den Zeiten, an denen nicht Fasching ist, nicht Karneval und nicht Halloween, hat Fabian viel Zeit zum Nachdenken. Er fragt sich dann, was Ellis macht. Und ob es in Ordnung ist, bloß Kaugummi beim Lieferdienst Wien zu bestellen, um Ellis einmal wiederzusehen. Fortsetzung folgt

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