Konflikt

Moskau: Armenier in Berg-Karabach beginnen mit Waffenabgabe

Zivilisten in der Näher einer russischen Militärbasis in der Region Berg-Karabach.
Zivilisten in der Näher einer russischen Militärbasis in der Region Berg-Karabach.APA / AFP / -
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Unter der Aufsicht russischer Soldaten in der Konfliktregion im Südkaukasus seien erste Waffen und Militärtechnik abgegeben worden, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau am Freitag mit.

Nach ihrer Niederlage gegen Aserbaidschan haben die armenischen Kämpfer in Berg-Karabach russischen Angaben zufolge mit der Abgabe ihrer Waffen begonnen. Im Einklang mit der Vereinbarung vom Mittwoch seien unter der Aufsicht russischer Soldaten in der Konfliktregion im Südkaukasus erste Waffen und Militärtechnik abgegeben worden, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau am Freitag mit. Bei zwei Verstößen gegen die Feuerpause sei niemand verletzt worden, hieß es weiter.

Berg-Karabach liegt auf aserbaidschanischem Staatsgebiet, wird aber mehrheitlich von Armeniern bewohnt und ist zwischen den beiden Ex-Sowjetrepubliken seit langem umkämpft. Am vergangenen Dienstag startete das autoritär geführte Aserbaidschan eine Militäroperation zur Eroberung der Region. Nur einen Tag später ergaben sich die unterlegenen Karabach-Armenier. Viele Armenier werfen ihrer traditionellen Schutzmacht Russland, die auch eigene Soldaten vor Ort stationiert hat, vor, sie im Stich gelassen zu haben.

Während der kurzen Kämpfe starben armenischen Angaben zufolge mehr als 200 Menschen, mehr als 400 weitere wurden demnach verletzt. Die Zehntausenden armenischen Zivilisten in der Region fürchten nun, vertrieben oder von den neuen aserbaidschanischen Machthabern unterdrückt zu werden.

Berg-Karabach offenbar umzingelt

Aserbaidschanische Soldaten umzingeln nach Angaben der pro-armenischen, separatistischen Behörden die Regionalhauptstadt Stepanakert in der Kaukasus-Region Berg-Karabach. „Die Situation in Stepanakert ist furchtbar, aserbaidschanische Truppen sind überall rund um die Stadt, sie sind am Stadtrand und die Leute haben Angst, dass aserbaidschanische Soldaten jeden Moment die Stadt betreten und mit dem Töten beginnen könnten“, sagte Sprecherin Armine Hayrapetian am Freitag, die das Informationszentrum von Berg-Karabachs selbst ernannter Regierung in der armenischen Hauptstadt Jerewan vertritt.

„Keine Elektrizität, kein Gas, kein Essen, kein Brennstoff, keine Internet- und Telefonverbindung“, beschrieb Hayrapetian die Lage in der Stadt. „Die Leute verstecken sich in Kellern.“ Sie sprach von zahlreichen Todesopfern und Verletzten, ohne genauere Angaben zu machen. Der armenische Ministerpräsident Nikol Paschinjan sagte in Jerewan, 40.000 Plätze seien für Vertriebene aus Berg-Karabach vorbereitet. Es wäre besser, wenn die Karabach-Armenier in ihren Häusern bleiben könnten, sagte er bei einer Regierungssitzung am Freitag. Es könne aber sein, dass dies unmöglich werde.

„Wenn sich die Lage verschlechtert, wird dieses Problem für jeden von uns auf der Tagesordnung stehen.“ Ein Team von Ärzte ohne Grenzen hat sich unterdessen von Jerewan in die Stadt Goris in der südarmenischen Provinz Syunik begeben. Dort wird ein möglicher Zustrom von Menschen aus Berg-Karabach erwartet. Aktuell dürfe aber noch niemand über den Latschin-Korridor nach Armenien. Ein Berater des autokratisch regierenden aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliyev erklärte, man stelle die Reise von Zivilisten in ihren eigenen Fahrzeugen auf der Route von Berg-Karabach nach Armenien sicher.

In der Nacht auf Freitag war es in Berg-Karabach nach armenischen Angaben ruhig. Die Region im Südkaukasus liegt auf dem Gebiet Aserbaidschans, wird aber von ethnischen Armeniern bewohnt. Die Karabach-Armenier, immer noch mehrere Zehntausend Menschen, befürchten, aus ihrer Heimat vertrieben oder im autoritär geführten Aserbaidschan unterdrückt zu werden. Im UNO-Sicherheitsrat in New York warf der armenische Außenminister Ararat Mirzoyan Aserbaidschan ethnische Säuberungen vor. Dessen Außenminister Jeyhun Bayramov wiederum sprach von einem Vorgehen gegen Terroristen in Karabach.

EU-Außenbeauftragter Borrell kündigt Unterstützung an

Im UN-Sicherheitsrat bekräftigte auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell seine uneingeschränkte Solidarität mit Armenien und kündigte Unterstützung an. „Die EU und ihre Mitgliedsstaaten stehen bereit, um dringend humanitäre Hilfe zu leisten“, sagte er am Donnerstagabend. Aserbaidschan trage die Verantwortung dafür, dass die Rechte und die Sicherheit der Armenier in Karabach uneingeschränkt geachtet würden.

Die EU-Kommission will 500.000 Euro für die vom Konflikt betroffenen Menschen bereitstellen. „Wir beobachten die Lage vor Ort genau und sind bereit, weitere Hilfe zu leisten“, sagte der zuständige Kommissar Janez Lenarčič. Das Geld soll in erster Linie die Grundbedürfnisse der Menschen decken. Die nun angekündigte finanzielle Unterstützung kommt zu den 1,17 Millionen Euro hinzu, die Anfang des Jahres für die Krise in Berg-Karabach bereitgestellt wurden, so die Kommission.

Armenien ist mit den Landsleuten in Karabach solidarisch. Seit einem Krieg Anfang der 90er Jahre hatten die Armenier die Kontrolle über Berg-Karabach und hielten auch benachbarte aserbaidschanische Bezirke besetzt. Einen Krieg 2020 verloren die armenischen Kräfte. Das hochgerüstete Aserbaidschan eroberte Teile Berg-Karabachs zurück. Nach der jüngsten neuen Militäroffensive Aserbaidschans will die Führung um Paschinjan aber vermeiden, dass der Konflikt auf das Mutterland Armenien übergreift. In Jerewan gab es am Freitag wie an den Vortagen Proteste gegen die aus Sicht der Demonstranten zu nachgiebige Haltung Paschinjans. (APA)

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