Kritik

Kabarett: Ein Vater blickt aus dem Zug auf die Welt

Das Private ist immer politisch bei Hosea Ratschiller.
Das Private ist immer politisch bei Hosea Ratschiller.Ernesto Gelles
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Hosea Ratschiller ist mit seinem neuen Programm etwas Besonderes geglückt. Die Familie nimmt er als Basis für kluge Betrachtungen unserer Gesellschaft. Er baut auf das Motto „Lebe mit Leuten zusammen, die Hilfe brauchen“.

Ist das ein Künstlername? Nein. Hosea Ratschiller wurde von seinen Eltern nach einem alttestamentarischen Propheten benannt und muss nun bei jeder Begegnung erklären, dass er wirklich so heißt. An diesem ungewöhnlichen Namen hängt der Kabarettist das neue Programm auf, das er als sein persönlichstes bezeichnet. „Hosea“ hatte am 21. September im Kabarett Niedermair Premiere, und der Applaus war lang und laut.

Das Private ist immer politisch („In der Familie lernt man, dass Gerechtigkeit das Wichtigste auf der Welt ist – nicht die Vernunft“). Ratschiller nimmt seine Familiengeschichte („Lebe mal mit Leuten zusammen, die Hilfe brauchen“) als Ausgangspunkt, um die „großen Themen unserer Zeit“ aufzuschlagen: Mülltrennung, leistbares Wohnen und überall Brösel. Die Regisseurin und Mitautorin ist Petra Dobetsberger, und man findet Parallelen zu Josef Hader und Thomas Maurer, bei denen sie ebenfalls Regie führt. Was mit simplen Fragen und gemütlichen Erzählungen beginnt, wandelt sich im Laufe des Abends in absurde Ausführungen, die den Blick auf unsere skurrile Welt frei geben.

Bröselnde Saubarteln sind die Kinder

So nah am Leben die Geschichte der Zug fahrenden Familie beginnt („Die Kinder sind bröselnde Saubarteln“), so herrlich herbeifantasiert enden die Szenen des nackt Musical singenden Schaffners in Spittal an der Drau. Ja, Hosea kommt aus Kärnten, noch dazu aus dem gleichen Ort wie Herbert Kickl. Das macht es leicht, den Rechtsruck unserer Gesellschaft vor den Vorhang zu holen.

Der Titel „Papi“ ist sein Orden

Ratschiller selbst gibt sich im satirischen Ich nicht so links, wie man es Kabarettisten stets andichtet („Ich fühle mich schon wie die FPÖ-Kernzielgruppe: voller Zorn und sentimentalen Vermutungen“). Was ihm demnach auf ein bürgerliches Leben fehle, sei nur noch eine Erbschaft. Zu dem gehören Frau und Kinder – und schon fühlt er sich wohl. Bei denen ist er „diensthabender Obersaubartel – oder Papi“.

Fortwährend bleibt der Künstler, der dem Thema Väter voriges Jahr ein ganzes Buch mit seinem Vater Klaus Ratschiller gewidmet hat, der sympathische Papi auf der Bühne – eingestreut sind tiefgehende Scherze, die nach einer Sickerphase die volle Wirkung entfalten.

Ernesto Gelles

Es geht um künstliche Intelligenz und Klimawandel. Doch den größten Lacher bekommt er mit dem Zweifel an unserer Hirnleistung: „Das, was ich Ihnen hier erzähle, darüber habe ich ein Jahr lang nachgedacht!“ Wie klug vernetzt Ratschillers Synapsen sind, zeigt sich im zweiten Teil des Stücks noch prägnanter. Auf der Suche nach dem, was Österreich so besonders macht, kreisen schon die Aasgeier des rechten Mobs über ihm: Wann ist er pleite, müde und zornig genug für sie?

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