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Zu Besuch bei der Essig- und Senfbrüderschaft

Ehrwürdige Brüder und Schwestern: Nur keine Entölung der Senfkörner! 
Wo? Confrérie de la Moutarde de Dijon, 2, rue des Corro­yeurs, Dijon.
Ehrwürdige Brüder und Schwestern: Nur keine Entölung der Senfkörner!  Wo? Confrérie de la Moutarde de Dijon, 2, rue des Corro­yeurs, Dijon.Amanshauser
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Die verschworene Senfbrüderschaft: Über den Großmeister und seine Geschwister einer tollen Loge.

Drei ältere Herren und eine ältere Dame haben in einem Kämmerchen im zweiten Stock eines Studierendengebäudes ihre Senfmühle aufgebaut, eine kleine Siebschleuder aus Stein. Sie stehen in ehrwürdiger Tradition: Christian Poyer, der „Großmeister“, Patrick Roy, Françoise Drut und ihr Gatte Lucien sind Repräsentanten einer ehrwürdigen Institution, der „Confrérie des Vinaigriers – Moutardiers“, kurz der Essig- und Senfbruderschaft. Die Gründung ist schon eine Weile her, in der Jakobinerkirche von Dijon, 23. Juni 1603.

„Senf war immer auch Medizin“, erklärt der Großmeister, „er hilft uns bei der Fleischverdauung“. Er lässt seine Mitarbeiter die Herstellung von Dijon-Senf auf traditionelle Art vorzeigen. Die eingelegten Senfkörner (nur die dunklen, denn ein guter Senf muss „beißen“!) werden in eine Öffnung geschüttet und mit einer Wasser-Essig-Mischung bespritzt, anschließend dreht der Senfmeister an der Mühle. Maßgeblich ist dabei die ­richtige Geschwindigkeit, sonst gerät das unten herauskommende Produkt – allein die Schalen der strikt unentölten Körner bleiben im Inneren der Siebschleuder stecken – zu körnig oder zu cremig.

Seit einigen Jahren wird im Burgund wieder Senf angebaut. Die kleinen ­Kugelsamen sind das schwarze Gold der Region, die Pflänzchen zeichnen im Frühling die Felder gelb. 6000 Hektar Anbaufläche produzierten etwa im Jahr 2017 eine Menge von 11.000 Tonnen Senfkörnern, aus denen wiederum 90.000 Tonnen Senf entstanden.

Die spätmittelalterlichen Gewänder, in denen die Herrschaften der Confrérie gekleidet sind, verleihen der karnevalsähnlichen Grundsituation einen ernsten Nebenton. Der Senfmeister dreht die Mühle weiter. Charmante Feierlichkeit erfasst in diesem Moment jeden ihrer Besucher: Mit einem Schwert aus dem Spielzeugladen schlägt Christian Poyer den Gast gutmütig zum „Compagnon Moutardier“.

Als einer dieser Compagnons wurde ich später von Leuten gefragt, welche Rechte und Pflichten denn ein Senf­bruder wie ich jetzt genau hätte. „Senf kaufen, essen und ehren“, improvisierte ich. „Und selbst wenn ich es könnte, die ­Körner nie entölen!“ 

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