Wort der Woche

Mikroplastik in der Umwelt

Europa sagt dem Mikroplastik den Kampf an. Die einzelnen Maßnahmen gegen die Umweltverschmutzung durch Kunststoffen haben allerdings nur überschaubare Wirkung. 

Europa macht nun Ernst beim Thema Plastik in der Umwelt: Nachdem Plastik-Einwegprodukte (Strohhalme etc.) untersagt wurden, Recyclingquoten erhöht und in vielen Staaten – 2025 auch in Österreich – ein Pfandsystemen für Plastikflaschen eingeführt wird, verbietet die EU-Kommission nun auch Produkte, die Mikroplastik enthalten (Kosmetika, Glitter usw.). Der unmittelbare Effekt davon ist indes überschaubar: Laut Forschenden um Maryna Strokal (Uni Wageningen) machen diese nur einige wenige Prozent jener Mikroplastik-Mengen aus, die in Gewässer gelangen. 40 Prozent davon sind nämlich Reifenabrieb, 31 Prozent Textilfasern (Nature Communications, 10. 8.). Nicht mitgerechnet sind dabei achtlos weggeworfene Plastikgegenstände, die infolge von UV-Licht, Wetter und Wellen zu Mikroplastik zerstückelt werden.

Auch wenn verschiedene Mengenschätzungen von Plastik in Gewässern stark differieren, weiß man doch bereits einiges über deren Verbreitung und Wirkung. Kaum etwas ist hingegen über Mikroplastik bekannt, das sich im Boden ablagert. Viele Forschende gehen davon aus, dass dies ein Mehrfaches jener Mengen ist, die in den Meeren landen.

Ein Fortschritt sind nun zwei Studien chinesischer Forschender, die fast zeitgleich in Science of the Total Environment veröffentlicht wurden. Teams um Jizhi Li (903: 166154) und Yifei Qiu (905: 166902) haben Bodenproben von verschiedenen Standorten aus unterschiedlicher Tiefe analysiert und einige klare Zusammenhänge gefunden: Wald- oder Wiesenböden enthalten typischerweise weniger Mikroplastik als landwirtschaftlich genutzte Flächen. In naturbelassenen Böden nimmt die Plastikkonzentration mit zunehmender Tiefe linear ab; gleichzeitig sind die Partikel in größerer Tiefe kleiner als nahe der Oberfläche – und überdies weisen diese mehr oxidative Abbauspuren (Carbonylgruppen) auf. Auf regelmäßig umgeackerten Agrarflächen gibt es hingegen kein so ausgeprägtes Tiefenprofil.

Das bedeutet: Plastik verwittert im Boden sukzessive, und die kleineren Bruchstücke dringen in tiefere Schichten vor. Deren weiteres Schicksal, ob sie etwa durch Grundwasser ausgespült werden, ist unbekannt. Ebenso weiß man so gut wie nichts über die Konsequenzen für das Leben im Boden – und im Endeffekt über die Nahrungskette auch für uns Menschen. Umso wichtiger sind, dem Vorsorgeprinzip folgend, alle Maßnahmen zur Eindämmung der Umweltverschmutzung mit Plastik. Selbst wenn die einzelnen Schritte nur kleine Wirkung haben.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

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