Die Ich-Pleite

Fensteroffenlassen-Fanatikerin

Carolina Frank
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Dank Ambrosia-Pollen wird es wohl November werden, bis ich meine Fenster wieder öffnen kann. Nur dass es dann dafür zu kalt sein wird.

Hätte man mir vor 20 Jahren auf den Kopf zugesagt, dass ich einmal den Herbst herbeisehnen würde, hätte ich gesagt: Eher friert die Hölle zu. Früher liebte ich nämlich die schöne Jahreszeit. Hauptsächlich, weil man die Fenster offen lassen kann. Ich bin eine Fensteroffenlassen-Fanatikerin. Auch wenn es durch die Wohnung bläst, dass die Türen knallen und die Zeitungsblätter herumwirbeln. Aber das Fensteroffenlassen war heuer kaum möglich. Im Sommer nicht, weil sich Fensteroffenlassen wie Sitzen in der Sauna bei Aufguss angefühlt hat. In der Nacht ist die Temperatur immerhin auf unter 30 Grad gesunken. Da hätte man die Fenster offen lassen können. Wenn man bereit war, dafür Blutgeld zu zahlen. Ich möchte nicht wissen, wie viele Gelsenbabys nur durch mich das Licht der Welt erblickten.

Sicher, es war nicht immer so heiß. Manchmal hat es auch gewittert. Da war das Fensteroffenlassen der reinste Genuss. Allerdings wäre es besser gewesen, sie geschlossen zu lassen. Denn seither wellt sich an manchen Stellen das Parkett. Im September herrschte ein klassisches Fensteroffenlassen-Wetter. Mild, sonnig, immer ein angenehmes Lüftchen. Das allerdings Ambrosia-Pollen hereingebracht hat. Jetzt kenne ich auch die Wiener Allergieambulanz von innen. Und jetzt, wo Nase und Augen gerade wieder abschwellen, haben die Baumwanzen auf der Suche nach einem gemütlichen Winterquartier begonnen, meine Fensterscheiben zu belagern - immer darauf lauernd, dass ich schwach werde und eines aufmache. Aber da kennen sie mich schlecht! Deshalb wird es wohl November werden, bis ich meine Fenster wieder öffnen kann. Nur dass ich sie dann erst recht geschlossen halten muss. Weil inzwischen wird es fürs Fensteroffenlassen zu kalt geworden sein.

(Die Presse Schaufenster, 29.9.2023)

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