Klimaklage

Insulaner klagen Beton-Konzern auf Zahlung von 3600 Euro

Archivbild vom 11. Juni von der Schweizer Zementfabrik in Eclepens.
Archivbild vom 11. Juni von der Schweizer Zementfabrik in Eclepens.APA / AFP / Fabrice Coffrini
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Eine Klimaklage der besonderen Art fechten derzeit vier Indonesier mit Holcim aus, dem größten Betonhersteller der Erde. Im Oktober fällt eine erste Vorentscheidung.

Die Insel Pulau Pari liegt im Distrikt um die indonesische Hauptstadt Jakarta, ist gerade einmal 41 Hektar groß und macht somit ein Zehntel der Fläche Wiens aus. Auf dem kleinen Eiland, umgeben vom Meer, leben 1500 Menschen. Vier von ihnen verteidigen ihre Heimat nun auch bei Gericht.

Sie haben den größten Hersteller von Zement, Holcim, verklagt, weil er für einen wesentlichen Teil der Belastung der Atmosphäre mit Treibhausgasen verantwortlich sei. Es ist die erste Klimaklage, der sich ein Schweizer Konzern stellen muss. Schauplatz des Verfahrens ist Zug, der Hauptsitz von Holcim.

Das Verfahren dauert bereits mehr als ein Jahr, zumal das Schweizer Recht vorsieht, dass es innerhalb einer gewissen Frist Gespräche zwischen den beiden Parteien geben muss – mit dem Ziel, eine außergerichtliche Einigung zustande zu bringen. Dazu kam es im konkreten Fall jedoch nicht, weshalb die Insel-Bewohner im Jänner Klage eingereicht haben. Sie werden dabei unter anderem vom Hilfswerk der evangelisch-reformierten Kirche (Heks) und von Walhi, dem indonesischen Ableger der weltweit agierenden Umweltorganisation „Friends of the Earth“ (FoE), unterstützt.

Das Klagsbegehren zielt nicht nur auf eine finanzielle Entschädigung ab. Gefordert wird auch, dass der Konzern den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 43% verringere, und bis 2040 um 69%. Die vom Konzern selbst gesteckten Reduktionsziele seien zu gering, meint jedenfalls Parid Ridwanuddin, Mitarbeiter von Walhi. Holcim sei unter jenen Konzernen, die am meisten Treibhausgase verursachen. Das Climate Accountability Institute in Colorado hat errechnet, dass Holcim zwischen 1950 und 2021 insgesamt 7,15 Milliarden Tonnen Kohlendioxid emittiert hat. Dies bedeute, dass der Schweizer Konzern für 0,42 Prozent der globalen Emissionen von Treibhausgasen verantwortlich ist. Dieser Anteil ist auch bestimmend dafür, was an Schadens-Wiedergutmachung vom Gericht als gerechtfertigt angesehen wird: 3600 Euro.

Weniger Fische, mehr Salz

Begründet wird dies von den Klägern mit Umweltauswirkungen, die der Klimakrise zuzurechnen sind. Ridwanuddin: „Früher war es möglich, dass Fischer mit einem täglichen Ertrag von 200 Kilogramm rechnen konnten; heute müssen sie froh sein, wenn zehn Kilo ins Netz gehen.“ Es sei außerdem festzustellen, dass die Extrem-Wetterereignisse zunehmen. Unmittelbare Folge davon sei der Rückgang der Buchungen von Touristen. Und: Das Meer beginnt zu steigen, der Salzgehalt im Grundwasser nimmt zu.

In den kommenden Wochen gibt es in dem Verfahren eine erste Vorentscheidung: Das Gericht in Zug wird zu befinden haben, ob den Klägern eine Verfahrenshilfe gewährt wird.

Holcim betont in wiederholten Medien-Statements die Bedeutung des Klimaschutzes und der Vermeidung von Treibhausgas-Emissionen, spricht sich aber gegen die konkrete Klage aus. Derartige Instrumente seien nicht geeignet, dieses globale Problem zu lösen, heißt es.

Anna Leitner, Sprecherin für Ressourcen und Lieferketten bei Global 2000, dem österreichischen Ableger von FoE, fordert einerseits starke Klimaverpflichtungen für Konzerne und klar geregelte Zuständigkeit bei und Zugänge zu europäischen Gerichten. Das sei ein „Grundstein für eine klimagerechte Welt“.

Dies sei umso bedeutender, zumal die Organisation 20 exemplarische Unternehmen im „Lieferketten-Report 2023“ näher unter die Lupe genommen hat. Darin sind die Autorinnen der Arbeit zum Schluss gekommen, dass das Gros der Treibhausgase entlang der Lieferkette entstehen, nicht bei der Produktion selbst.

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